Heft 
(1911) 19
Seite
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11. (3. ordentliche) Versammlung des XIX. Vereinsjahres.

liehen Verhältnisse bis zur Aufhebung der Erbuntertänigkeit zu Anfang des 19. Jahrhunderts.

In der Sitzung vom 11. Mai d. J. behandelte Herr Baurat Kohte die Ausgänge des mittelalterlichen Ziegelbaues. Den Anlaß zu diesem Thema gab ihm das Rathaus in Jüterbog, über welches er in der Zeit­schrift für Bauwesen eine Aufnahme und geschichtliche Untersuchung nebst Bericht über die von ihm geleitete Wiederherstellung veröffentlicht hat. Jüterbog, 1174 gegründet, ist eine der ältesten Städte des ostdeutschen Kolonialgebietes; die Bauwerke der Stadt wurden aber nach dem Brande von 1478 sämtlich erneuert. Das Rathaus wurde mit dem in den Markt hineinspringenden mittleren Vorbau um 1480 begonnen, und zwar in engem Zusammenhänge mit gleichzeitigen Ziegelbauten in Jüterbog, Berlin, Branden­burg und Tangermünde. Nach zeitAveiliger Unterbrechung der Bauarbeiten wurde der gestreckte Hauptkörper des Rathauses mit den beiden statt­lichen, jetzt wiederhergestellten Giebeln über der östlichen und der west­lichen Schmalseite ausgeführt; dies geschah, wie die Stadtbücher angeben, etwa in den Jahren 1495 bis 1508; als Baumeister nennt sich 1499 Simon Nennenkind. Die Formgebung dieses Bauteils verläßt die strenge Weise des Ziegelbaues, folgt vielmehr Einflüssen des Werksteinbaues und ver­wendet auch den Werkstein selbst.

Eine vereinfachte Wiederholung des Jiiterboger Rathauses ist das in Fürstenwalde vom Jahre 1511, welches kürzlich eine vom Standpunkte der Denkmalspflege nicht zu billigende Erneuerung erfahren hat, Aus der Mark sind aus dieser Spätzeit noch zu nennen die Pfarrkirche in Bernau und die Klosterkirche in Frankfurt. Der Ziegelbau dringt nunmehr auch in das Gebiet des Werksteinbaues ein, in Magdeburg, Braunschweig, Dessau, Halle, Mühlberg, Merseburg; die Burg Anhalt im Harze wird in Ziegeln erneuert. Anderseits entfaltet der Ziegelbau eine späte Blüte im Gebiet der Provinz Posen; doch hat keines jener Denkmäler das Jüterboger Rat­haus an künstlerischer Bedeutung wieder erreicht, Trotz des von Italien eindringenden Klassizismus wurde an entlegenen Orten noch lange der gotische Ziegelbau gepflegt, so in Rathenow noch 1559, in Wongrowitz 1595, in Klein-Machnow 1597.

In der sich anschließenden Erörterung wurde von mehreren Seiten übereinstimmend betont, daß der Ausgang des Mittelalters die Blütezeit des märkischen Städtewesens darstelle. Auf eine Anfrage betreffend die Verbände des mittelalterlichen Ziegelwerks erläuterte Herr Kothe, daß von den zwei üblichen Verbänden, Wechsel von einem Binder mit zwei Läufern und einem Binder mit einem Läufer, jener der ältere und dieser der jüngere sei; während man in Preußen zum letzteren schon zu Anfang des

14. Jahrhunderts überging, geschah dies in der Mark erst zu Ende des

15. Jahrhunderts. Im 16. Jahrhundert herrscht allgemein der späte Verband.