Heft 
(1911) 19
Seite
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18. (n. ordentliche) Versammlung: des XIX. Vereinsjahres.

und E. Gramer über ältere Mörtel- und Ziegelproben uns mitgeteilt. In der Nr. 135 vom 15. d. M. handelt es sich um das 1700 erbaute, jetzt abgebrochene Haus Neue Wilhelmstr. 9. Die Ziegel waren blaßrot, 25,7.12,3.6,2cm im Format. Die Ziegel haben geringe Druckfestigkeit, der Mörtel ist sehr kalkarm. Beide Baustoffe sind als minderwertig befunden.

D. Kulturgeschichtliches.

IX. U. A.-M. Robert Mielke über das Strohdach. Das Stroh­dach wird nach sachkundiger Schätzung in etwa 15 Jahren aus der näheren Umgebung Berlins vollständig verschwunden sein. Zurzeit sind, wie R. Mielke im neuesten Heft der Zeitschrift Heimatschutz in Branden­burg angibt, in 134 Landgemeinden und 6 Städten etwa 20 Ortschaften ohne Gebäude mit weicher Bedachung. Der Teitower Kreisverein gewährt seinen Mitgliedern, die durch ihn versichert sind, für die Umwandlung der weichen Bedachung in Steindachung eine Prämie von 12 31. für die Quadratrute der Gebäudegrundfläche. Die Feuersicherheit der Gebäude wird ohne Zweifel nunmehr erheblich zunehmen. Doch ist das Verschwinden des Strohdaches in mancher Hinsicht auch zu beklagen. Der Straßenjunge unter den Vögeln, unser Spatz, der wenigstens in Berlin das Pferd zu den Apfelbäumen rechnete, hatte sich bei der Abnahme der Zahl der Rosse, der allgemeinen Stadtflucht folgend, aufs Land gerettet und dort im Winter in und unter dem Strohdache Schutz gefunden. Nun nimmt auch hier der ohnehin harte Kampf ums Dasein für ihn wieder schärfere Formen an. Zuerst entzog man ilun den Apfel, und nun erschwert man ihm noch, wie einem städtischen Beamten, das Wohnen in den Vororten! Es ist zum Piepen! seufzt der Spatz. Aber auch den menschlichen Bewohnern ist der Verlust des Strohdaches nicht immer recht; denn das alte Haus war im Winter warm und im Sommer kalt! Namentlich Obst. Gemüse und andere Vorräte hielten sich unter dem Strohdach besser und länger als unter dem Steindach. Vielfach suchte man die Feuersgefahr herabzumindern durch Anpflanzung von Sempervivum tectorum, dem Haus­laub, das auf den Dächern große Polster bildete. Fielen sprühende Funken aus brennenden Nachbarhäusern darauf, so erlosch auf dem saft­reichen Hauslaub der glimmende Brand. Karl der Große bereits ordnete daher die Anpflanzung von Hauslaub an. Wahrscheinlich ist das Hauslaub aus Südwestdeutschland auch in die Mark gekommen. An einzelnen Fällen läßt sich das sogar nachweisen. In Schönwalde im Kreise Niederbarnim gibt es heute nur noch einziges Haus, auf dessen (Ziegel)- Dach Hausl aub wächst, das nachweislich dorthin von einem alten, jetzt abgerissenen Bauernhause aus übertragen worden ist. Der ursprüngliche Besitzer dieses Hauses stammte aber, wie die Einwohnertabelle des 1753 durch Friedrich II. gegründeten Dorfes beweist, aus der Nähe von