Heft 
(1913) 21
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Theodor Raschke,

den Bräutigam beim Abholen seiner Braut begleiten und das Paar dann auch zur Kircheführen, indem der eine zur Linken, der andere zur Rechten geht. In einzelnen Orten begleiten sie das Brautpaar noch zu Pferde, besonders dann, wenn die Braut auf einem andern Orte wohnt. Sie sind dabei mit bunten Tüchern und Bändern geschmückt. Gewöhnlich haben sie ein rotes Taschcnsuch mit einem Zipfel an einem Knopfloch befestigt erhalten; das Tuch ist dann ihr Eigentum.

Die Brautführer sind im Osten unsrer Provinz von der Neumark bis nach der Niederlausitz zu finden. Auch sie sind ein Rest aus ver­gangenen Tagen. Als der junge Ehemann seine Frau mit ihrer Heim­steuer, die sich aus Geschenken von den Eltern und Verwandten zusammensetzte, nach seinem Hofe abholte, begleiteten ihn seine Jugendfreunde zu Pferde.

Diese eigentliche Heimführung wird heute sehr verschieden aus­geführt. In manchen Ortschaften des Sternberger Landes sind die Hochzeiten gewöhnlich im Winter, während die Heimführung der jungen Frau erst zum April oder zum Juli stattfindet. Bis dahin wohnt sie bei ihren Eltern.

Im Anschluß an die Heimführung der jungen Frau mag das Anziehen derMade oder Mägde erwähnt werden, weil es so ähnlich geschieht und eine hohe Wertschätzung des weiblichen Geschlechts erkennen läßt. Der Wirt selbst oder dessen Sohn fährt mit ge­schmückten Pferden vor die Wohnung des jungen Mädchens. Ihre Sachen werden in einer Truhe auf den Wagen getragen; dann erscheint sie selbst geschmückt und nimmt an der Rechten ihres neuen Herrn den Platz ein.

Es dürfte wenig bekannt sein, daß nach alter Sitte in manchen Gegenden der Mark, z. B. in der Niederlausitz das Rosmarin bei den Hochzeiten noch hoch in Ehren steht. Söhns behauptet zwar in seinem BucheUnsere Pflanzen, daß sich nur noch in Oberbayern diese Sitte erhalten habe. Nein, in unserer Mark wird sie heute noch geübt.

Schon der Hochzeltsbitter erscheint mit Rosmarin geschmückt. Jeder Gast erhält seinen stark duftenden Strauß, und die Braut trägt noch häufig einen Kranz aus den Zweigen dieser Pflanze, und aus jedem Gärtchen strömen ihre Düfte in die Luft. In welchem Zusammen­hänge sie mit dem Glauben bei den Wenden steht, kann ich nicht bestimmt sagen. Bei den Germanen war die Pflanze der Göttin Holla und dein Gotte Frö geweiht. Holla war die Göttin der Ehe und des häuslichen Herdes. Wer sich mit ihrer Pflanze schmückte, der legte Bekenntnis ab, daß er das Eheglück und die Wonne des eigenen Herdes zu schätzen wisse; der gelobte die eheliche Treue, und darum konnte es ihm auch an Glück in seinem Hause nicht fehlen.