Kleine Mitteilungen.
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allem Zubehör an den Militärflskus über, der fortan den Kommandeur des Gardekorps hier residieren ließ. Diese hohen Militärs haben für die Verschönerung des Parks außerordentlich viel getan, insbesondere die Generäle von Pape und Bock von Polach. Da ich seit 27 Jahren auf die Pflugsche Villa hinausschaue, habe ich insbesondere das stattliche Heranwachsen der Bäume mit Freuden beobachten können, ebenso das Leben, Singen und Lieben der Vogelwelt. Anfänglich waren hier, mitten im weltstädtischen Betriebe, gleichwie drüben im Schloßgarten Bellevue mehrere Nachtigallen- pürchen, allmählich sind diese durch die Unruhe und Dreistigkeit der Schwarzdrosseln vertrieben worden, die allerdings vorzügliche Sänger aufweisen. Dann der Pfingstvogel, der gelbe Pirol, im Volk „Vogel BUlow“ genannt. Das scheue Tierchen nistet unverdrossen hier Jahr auf Jahr, und vor kurzem hat uns noch der melodische, glockenreine Ton desselben frühmorgens und spätabends erfreut. Aber auch der Mensch musizierte in diesem Gartenidyll. Sehr häufig wurden die Umwohner der Villa durch schöne Militärkonzerte, ab und zu mit Feuerwerk und Illumination erfreut, wozu nicht selten Kaiser Wilhelm der Große und auch der jetzige Kaiser sowie der Kronprinz erschienen.
Und alles das soll nun aufhören, wiederum des leidigen Finanzpunktes halber, um auf Kosten einer herrlichen Oase im Öden Häusermeer Kapital herauszuschlagenV Unser Heimatsgefühl will an diese Grausamkeit gegen Natur und Kunst nur ungern glauben.
Zum Schluß sei noch erwähnt, daß es sich hier und in der Nachbarschaft um altwendischen und germanischen Grund und Boden handelt. Ich habe für das märkische Museum hier mancherlei Altertümer gesammelt. Die althistorische Wulwe-Lanke (Wolfs-Lache), auf der bis in die neunziger Jahre ein Schwanenpaar nistete, ist zugeschüttet. Dafür sind hier das Helgoländer Ufer, die Lüneburger, Melanchton- und Spenerstraße entstanden. Pflug, der schon 1886 starb, hat diese Wandlungen nicht mehr erlebt. Wo der Boden dort aufgerissen wird, ,um Häuser zu fundieren, zeigt sich ein unermeßliches Eisenschlackenlager, das, panzerglockenartig verkittet, nur mit großer Mühe zu durchbrechen ist. Fast möchte man an ein riesiges natürliches Lager von Raseneisenstein denken, wie unsere Sümpfe es erzeugen. Es handelt sieh aber lediglich um den Abraum der ehemaligen Pflugschen Eisengießerei; wer’s nicht glaubt, kann sich von der Richtigkeit durch inkrustierte Putzlappen, Gußstücke u. dergl. überführen. Unter dem gewachsenen Boden zieht sich ein Lager von dunkelgrauer, pulveriger Erde hin, die Feuchtigkeit begierig schwammartig aufsaugt. Es ist die früher sogenannte Infusorienerde, jetzt als Bazillarien- oder Diatomeen-Erde be- zeichnete, dem älteren Alluvium zugehörige Schicht, die wegen ihrer Aufquellung und demnächstigen Zusammenziehung als schlechter Baugrund berüchtigt ist.*)
Wenn das traurige Schicksal der Aufteilung des Idylls unserer Pflugschen Villa und ihrer herrlichen Baum- und Gartenanlagen besiegelt ist, dann
*) Vgl. die Häuser am Südende der Charlottenstraße, die auf Bazillarienerde gebaut nach Jahren Senkungen und Risse der Art bekamen, daß sie polizeilich geräumt und nochmals neu fundiert werden mußten.