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Paul Alfred Merharh.
fremden, weit von meiner lleimath gelegenen Stadt, fern von meiner Familie, von der Furcht gequält, daß das Uebelhelinden sich in eine langwierige und bösartige Krankheit verwandeln könnte, vollbrachte ich einen bösen Tag, und eine noch schlimmere Nacht, fühlte mich aber am Morgen wieder ziemlich gesund. Hecht sehr bedauerte ich, daß ich verhindert worden war, der Aufführung der Zaubertlöte ) beizuwohuen, welche eben an jenem Abende vor sich ging. Ein seit lange in Berlin wegen seiner schönen Stimme bekannter Tenorist, Mantius,'') ein ab- solvirter Jurist, trat darin zum ersten Male als Tamino auf. Ein interessanter Zufall hatte auf die, lange zwischen Theater und Gerichtsstube schwankende, Wahl des jungen Mannes entscheidenden Einfluß gehabt. Ganz Berlin war auf diesen Abend gespannt, und Hofrath Esperstiid t‘‘) hatte mich am Morgen sehr neugierig gemacht; aber leider war die Uebelkeit, die mich befiel, nicht so galant, mir zu erlauben, jene Neugierde befriedigen zu dürfen. Nach der Hand erzählte man mir, daß die Sache recht gut abgelaufen sey.
Berlin ist im eigentlichsten Sinne eine Stadt, welche das Prädikat der königlichen verdient. Sie trägt den Charakter des Ehrwürdigen, Großen. Majestätische Palläste, ungewöhnlich lange, breite und lichte Straßen, herrliche Privatgebäude regen die Bewunderung auf. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, daü in den Straßen keine rege Lebendigkeit wahrgenommen wird, wodurch der Charakter der Würde, dem Ruhenden mehr als dem Bewegten innewohnend, stätig wird. Die Häuser sind breit, aber nicht hoch, meistens nur von zwei Stockwerken. Häuser von drei Stockwerken sind hier schon sehr selten. Nicht passend schienen mir viele Statuen auf öffentlichen Gebäuden, welche meist in zu kleinen Verhältnissen erscheinen, und mehr durch das Gebäude gedrückt werden, als sie dazu dienen, dieses verschönernd zu erheben. Ganz abscheulich sind die sogenannten Droschken ■) (Berliner Fiaker), einspännige, altväterliche und schlecht bespannte Fuhrwerke, welche nur im Schritt fahren, und die hölzernen Treppen, welche selbst in den elegantesten Häusern gefunden werden. Die Kaffeehäuser sehen dagegen sehr elegant aus, besonders aber die Konditoreien, die mit wahrhaft verschwenderischer, Pracht ausgestattet sind. Seidene, reich verzierte Vorhänge, moderne und geschmackvolle Möbel, degante Lampen, mn das Ganze zur Nachtzeit einladend zu machen, und dazu ein Uebermaß von Zeitungen aller Art werden an den meisten dieser Orte gefunden. Nur eines, und wegen seiner Lokalität sowohl, da es dem königlichen Schauspiele gegenüber liegt, als wegen der Vorzüglichkeit der Eüwaaren besuchtesten, das von Stäheli "), macht durch seine Einfachheit hievon eine Ausnahme.
Ich besah den katolischen, der heiligen Hedwig geweihten Dom. ') Er ist ein kleines, aber schönes Ilundgebäude, von innen mit Säulen