Heft 
(1913) 21
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Pani Alfred Merba'b.

Durch die liebenswürdige Offenheit des letztem, in dein ich einen sehr geraden, feurigen Mann kennen lernte, wurden manche zwischen un> bisher bestandene kleine Mißverständnisse') aufgeklärt, hs war mir sehr erfreulich zu vernehmen, daß er seit längerer Zeit viele gegen Oesterreich überhaupt, oder einzelne dort lebende geachtete Schriftsteller gerichtete, ihm zugekomniene Ausfälle in seine Zeitschrift nicht aufge- noinmeu habe, weil sie ihm entweder anonym, oder nicht von den ge­hörigen Beweisen unterstützt, zugeschickt worden waren. Möchten sich doch die Redakteure anderer Zeitschriften, welchen gerade solches Lumpen- zeug erwünschte Würze ist, ein Beispiel darau nehmen, um so mehr, da es sogar ihrem eigenen Interesse förderlich wäre, weil, seit Zeitschriften existiren bis nun, der Fall unerhört erscheint, daß sich irgend eine derselben dauernde Anerkennung verschafft hätte, welche zu dem erbärm­lichen Mittel ihre Zuflucht nahm, durch Angriffe gegen das Achtbare und Bedeutende die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ks hat, wie Du mir ganz richtig in einem Deiner Briefe bemerkst hast, überhaupt nie ein Unternehmen Dauer gefunden, dessen Gründer in irgend einer Beziehung sich um die Achtung der Besseren gebracht hat.

Nachmittags machte ich einen Spaziergang durch den Thiergarten. Er ist fast so lang als der Wiener Prater, aber nicht so besucht. In der Mitte führt ein großer Baumgang von Linden und Kastanien nach dem königlichen Lustschlosse Charlottenburg. Zur rechten Hand findet man Speisehäuser und einzelne hübsche Gartenanlagen; zur linken gleichfalls Anlagen, und auf der Seite des Potsdamer Thores, gleichsam den Garten umkränzend, sehr niedliche, freundlich nach Berliner Sitte mit Blumen verzierte Landhäuser. Auf dem Rückwege durchs Potsdamer Thor ins Schauspielhaus fiel mir das schlechte Strassenprtaster **) Berlins und der Mangel der Trottoirs 5 ) in den meisten Strassen als ein Uebel- stand auf, der bei der Länge der Straßen der Hauptstadt für die Fuß­gänger sehr drückend wird.

Den Abend brachte ich im königlichen Schauspielhause zu, wo man drei kleine Piecen gab. Zuerst die Gottersche Medea ! °), mit Musik von Benda neu einstudiert. Madame Crelinger gab die Hauptrolle. Ich fand sie seit ihrem letzten Auftreten in Wien *) im Tragischen noch vorgeschritten. Diese, nie die Schranken der Würde überschreitende, echt künstlerische Gluth, diese ungesuchte Schönheit in plastischer Dar­stellung des dramatischen Moments sind nicht genug zu loben. Von ergreifender Wirkung war die Anrufung Hekates und der Ruf an Jason in der vorletzten Scene vom Dracheuwageu herunter.Siehst du diesen Dolch. Hohn, Schmerz, Rache, Alles war in diese Worte gelegt. Der Drache spie übrigens so entsetzlich Feuer, daß der Pulverdampf gleich einer Wolke über dem Theater lagerte, und bis zum Beginnen des letzten Stückes anhielt. Alle diese Dinge gehören dem leidigen, der Kunst un-