Heft 
(1913) 21
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Eine Schilderung Berlins ans dem Jahre 1830 .

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würdigen Maschinenwesen an, und sollten von Bühnen ersten Ranges, wie die Berliner Hofbühne, verbannt werden. Eclite Kunstliebhaber finden kein Wohlgefallen daran, und mit Leuten, welche Wohlgfallen daran linden, kann solchen Instituten nicht gedient scyn. Was übrigens die Reprise der Gotterschen Medea betrifft, so muß ich Ilir gestehen, daß es mir unbegreiflich scheint, dieß Stück auf irgend einer Bühne zu finden, der die Wahl der Grillparzerschen frei steht, nicht als ob ich der Meinung derjenigen beiptlichten wollte, welche das Stück für ver­altet halten, weil sich die Veraltung eines wahrhaft schönen Kunstwerkes nicht denken läßt, sondern weil die Gottersche Medea von ihrem Ur­sprünge an ein farbenloses langweiliges Ding gewesen, welches durch die Wirksamkeit einiger Momente beim ersten Erscheinen vom Falle bewahrt wurde.

Auf die Medea folgte zum ersten Mal dargestellt ein Lustspiel in einem Akt nach Scribe, die Doppelverheiratheten.) Die Uebersetzung war gut, das Stück selbst aber ein leeres nichts, voll Unwahrscheinlich­keiten, bloß auf Effekt berechnet, der aber eben deßhalb ausblieb, weil er mit zu großer Aengstlichkeit aufgesucht wurde. Der Grundgedanke, daß ein Fremder durch Zufall für den Herrn des Hauses gehalten wird, obschon öfter dagewesen, ist nicht übel; was sich aber, um das Stück fortzuspinnen, noch begibt, läßt sich bei dem Umstande, daß die handeln­den Personen nicht verrückt sind, durchaus nicht erklären. So will z. B. eine Frau ihren Mann, von dem sie erst seit ein paar Tagen ent­fernt ist, glauben machen, daß sie eine andere Person sey, und dieß noch dazu in den Kleidern, die ihr Mann als die ihrigen kennt, und ohne die mindeste Entstellung des Gesichts, ln der Darstellung trat besonders ausgezeichnet Demoiselle Fournier, '*) eine jugendliche schöne Gestalt, hervor, voll Glut, und was besonders in diesem Alter viel sagen will, fern von Uebertreibung. Die übrigen Personen hatten weniger Ge­legenheit sich wirksam zu zeigen; doch war jeder auf seinem Platze und im raschen Ineinandergreifen, wie in der Feinheit der Darstellung ließ sich der gute Geist der Leitung spüren.

Den Schluß der Vorstellung machte das Singspiel: das Geheimnil!.") Auch hier war die Aufführung gelungen zu nennen, aber keine Rolle von der Art, den Sänger mit Sicherheit beurtheilen zu können. Er­freulich war mir die Bemerkung, dal! bis auf einen, des Theaters noch unkundigen jungen Mann, alle Sänger auch als Schauspieler vollkommen Genüge leisteten. Das Theater selbst :i ') ist, den Platz für die Zu­schauer betreffend, nicht sehr groß. Es bildet ein Halbrund, hat drei Gallerien und ein Parterre. Im Hintergründe befindet sich die große reich verzierte königliche Loge. Vorne au der Bühne sind zu jeder Seito drei andere Logen. Die auf weißem Grunde angebrachten, reich vergoldeten Verzierungen und Säulen, welche die Gallerien tragen, und