Heft 
(1913) 21
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Eine Schiblemnjj Berlin« an« «lern Jahre 1830.

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Stadt ist imposant. Die Umgebungen derselben sind nicht ausgezeichnet, doch auch keineswegs so unschön, als man aus mancher Beschreibung, die Berlin für eine Insel in einem Sandmeere ausgibt, glauben sollte. Der Blick trifft allenthalben auf freundliches Grün; nur Berge fehlen, welche den Hintergrund wohlgefälliger und reizender machten.

Mittags hatte ich das Vergnügen, bei einem Gastmahle, welches mir einer der bedeutendsten Buchhändler Berlins, Herr Dunker : ' 7 ) gab, viele der ausgezeichnetesten Männer der Hauptstadt kennen zu lernen. Ich kam zwischen den Herrn geheimen Rath Streckfuß ') und den Herrn Ludwig Robert v ') zu sitzen, den feinen scharfsinnigen Kritiker und Dichter. Mit ersterein, einem Jugendfreunde der Frau von Pichler, "') feierte ich lebhaft das Andenken dieser eben so geistreichen als liebens­würdigen Schriftstellerin.

Abends besuchte ich das Opernhaus. Man gab Mozart'sTitus. Dem. Sabine Heinefetter Äl ) sang den Sextus. Sie ist eine jugendlich blühende Gestalt mit ausgesprochenen und belebten Zügen. Ihre Stimme ist umfangreich und frisch, ihr Vortrag von seltener Bravour. Die Gestikulation fand ich etwas zu bewegt, und die Mimik nicht immer edel genug. Mad. Schulz,' 15 ) welche die Vitellia sang, ist eine sehr bedeutende Bravour-Sängerin, von der nur zu bedauern, daß sie nicht mehr jung ist. Baders * 3 ) Vorzüglichkeit ist hinlänglich bekennt, er gab heute die Rolle des Titus. Er und Dem. Heinefetter wurden nach dem Schlüsse der Oper gerufen. Das Opernhaus ist weit größer, als das königl. Schauspielhaus. Es bestellt aus drei bemalten, mit einfachen Verzierungen versehenen, Gallerien und einem Parterre. Im Hintergründe befindet sich die sehr hohe und große, reich verzierte königliche Loge. An den beiden Seiten der Bühne sind Nebenlogen. Der Bühnenraum ist von bedeutender Größe.

Am andern Morgen besuchte ich einen der Nestore unserer Literatur, den Herrn Rath und Censor Langbein,' 11 ) einen siebzigjährigen Greis, aber dabei noch rüstig und guter Dinge. Dem kleinen stillen Männchen würde man schwerlich die Regsamkeit und den Humor ansehen, die er in früheren Zeiten erwiesen hat, und von denen sich noch zuweilen Nachklänge vernehmen lassen. Er ist jetzt, wie er mir sagte, mit der Sammlung seiner sämmtlichen Schriften beschäftigt, die seiner Meinung nach an 30 Bände füllen dürften." ') Auch machte ich die Bekanntschaft des Herrn Dr. Stieglitz,' 1 ' 1 ) eines jungen blühenden Mannes. Er über­reichte mir sein neustes Werk:Lieder des Morgenlandes,' 17 ) die sich, wie ich mich später überzeugte, durch die Eigenthiimlichkeit ihres Kolorits und die Gluth ihrer Darstellung vortheilhaft auszeichnen. Auch der Bekanntschaft des Herrn Bibliothekars Spicker, ''*) eines der geist­reichsten Kenner der englischen Literatur, muß ich, als einer mir sehr erfreulichen, erwähnen.