Heft 
(1913) 21
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Kleine Mitteilungen.

gebracht hatte, war ein vergilbtes, altes Exemplar, das von außen mit einem blauen Seidenbltndchen umwickelt war. Zwischen den Blättern steckte ein Schlüssel, der von dem Seidenband festgehalten wurde. Wie die Angeklagte vor Gericht erklärte, sei sie mit Hilfe dieser Bibel imstande, die Zukunft vorauszusehen, insbesondere auch bei begangenen Straftaten die Täter zu ermitteln. Als die Polizei den Diebstählen machtlos gegenUber- stand, habe sie ihre Bibel zu Kate gezogen und die Xanten sämtlicher in Frage kommenden Ortseinwohner vor sich hergesagt. Bei dem Xanten des Schlächtermeisters seien plötzlich ihre Fingerspitzen wie von einer geheimnis­vollen Macht auseinandergezogen worden, und die Bibel Hel zur Erde. Dies bilde für sie dasBejahungszeichen*. Sie sei auch heute noch der Über­zeugung, daß Schn, als Täter in Frage komme. Xatürlich hatte es sich in dem Dorfe bald herumgesprochen, daß diewahrsagende Bibel* den jetzigen Kläger als Dieb bezeichnet hatte. Da hierdurch der heimlichen Verleumdung Tor und Tür geöffnet wurde, sah sich Schn, genötigt, gegen die Besitzerin der Zauberbibel gerichtlich vorzugehen. Das Schöffengericht Cöpenick sprach sie frei, wogegen der Kläger Berufung einlegte. Auf Antrag des Verteidigers R.-A. Rothe wurde der Angeklagten zum Beweise ihrer Gutgläubigkeit gestattet, jenes Experiment mit der Zauberbibel im Gerichtssaale vorzuführen. Die abergläubische Frau murmelte, vor dem Zeugentisch stehend, eine Reihe von Namen vor sich her, und als sic den Xamen des Klägers aussprach, Hel die Bibel, vermutlich durch Auslösung eines bestimmten Reflexes, der sich den Handnerven mitteilte, zur Erde. Das Gericht billigte der Angeklagten zu, daß sie an dasWunder ihrer Bibel geglaubt habe. Immerhin enthalte jene Verdächtigung, die völlig grundlos sei, den Tatbestand einer schweren Beleidigung. Mit Rücksicht auf die ganze Sachlage lautete das Urteil jedoch nur auf zehn Mark. Diese Nachricht, die wir dem B. L. A. entnehmen, ist volkskundlich deshalb wichtig, weil sic nicht auf bloßem Hörensagen, sondern auf genauer gerichtlicher Feststellung beruht.

Die große Fischer-Nadel. Eine Umfrage von E. Lemke, ln ver­schiedenen Museen, so auch im Märkischen Museum zu Berlin, treffen wir gewaltige Nadeln an, deren Deutung noch nicht feststeht. Das April-Heft (1912) derMitteilungen des Fischerei-Vereins für die Provinz Brandenburg* enthält einen Hinweis, den ich gern als Umfrage hier zur Sprache brächte.

Herr Professor Dr. Eckstein erwähnte in seinem am 3. Dezember 1911 zu Cöpenick gehaltenen Vortruge die alte Lade der dortigen Fischer, in der die Jahrhunderte alten Urkunden aufbewahrt wurden, und beschrieb auch Einiges von dem sonstigen Inhalt der Lade. (Seite 7).Dann die große Nadel. Zum Netzestricken war sie nicht; die Maschen wären zu groß geworden, um Fische zu fangen. Sie hatte einen anderen Zweck. An ihr wurde die schriftliche Einladung befestigt, welche die Fischer zur Ver­sammlung einlud, wenn wichtige Dinge zu beraten waren. Der Kietzer Schulze stellte die Nadel dem Nächstwohnenden an die Haustür; der las,