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3. (2. außerordentliche) Versammlung de* XXL Vereintjnhre*.
1559 bei eiuem Ritterspiel tödlicli verletzt wurde, erlosch die Freude an dieser gefährlichen Belustigung. An ihre Stelle trat das Karussell- öder Ringespiel, wobei man im Vorbeireiten nach einer Kolandtigur oder nach Ringen stach. Das Ringelreiten ist schon seit 842 bekannt; beim Versöhnungsfest Ludwigs des Deutschen und Karls von Frankreich wurde es geübt; aber es kommt in anderen Formen auch heut noch vor: Burschen in Holstein stechen nach einer Kolandtigur; beim heutigen Volkskarussell stechen die Mitfahrenden nach Ringen, um für das nächste Mal freie Fahrt zu erlangen, und im Havelland finden in zahlreichen Dörfern alljährlich Volksspiele statt, die als Reste der ehemaligen Ritterspiele anzusehen sind, z. B. das Hahnenschlagen und das Aalgreifen. Die Berliner „Stechbahn“ hat ihren Namen nach dem hier 1592 (11.—13. Dezember) aufgeführten Spiel Auch Friedrich der Große veranstaltete am 25. August 1750 im Lustgarten ein nächtliches Karubsell- spiel bei Fackelbeleuchtung, wobei die Prinzessin Amalie die Preise verteilte. Voltaire wurde dadurch zu dichterischen Ergüssen gereizt, und Menzel hat Darstellungen des Spiels für die Kuglersche Geschichte Friedrichs des Großen gezeichnet. Nach den Freiheitskriegen hat
Friedrich Wilhelm III. wiederholt sehr einfache Spiele dieser Art aufluhren lassen und dabei gezeigt, daß man auch für wenig Geld weidlich sich vergnügen kann, so am 3. August 1822 Glanzvoll verlief aber das Spiel im Jahre 1829 am Geburtstag der Kaiserin Charlotte, die zur Vermählungsfeier des Bruders, 'des Prinzen Wilhelm, mit August» von Weimar, nach Berlin gekommen war. Die Leitung übernahm Herzog Karl von Mecklenburg, dessen Büste im Potsdamer Lustgarten steht. Das Festspiel bestand aus drei Teilen. Es begann mit dem Karussellspiel im Freien auf dem Schloßhof, der mit weißen Rosen, der Lieblingsblume der russischen Kaiserin, geschmückt war. Nachdem ein Sprecher den Gedanken des Ganzen erläutert hatte, ritten unter den Klängen der Musik 9 Banner von je 12 Rittern in den Schloßhof und warfen die Lanzen nach Türkenköpfen, aus denen dann weiße Rosen liervorsprangen. Der zweite Teil bestand aus dem Spiel des „Zauberspiegels“, wobei im Saale vor den fürstlichen Mitgliedern der Hofgesellschaft zahlreiche geschichtliche Ereignisse in lebenden Bildern dargestellt W'urden und der dritte in einem Minnesängerspiel, dessen Grundgedanke eine Huldigung der Königstochter war. Man griff damit zurück auf eine Zeit, wo die Reinheit des Herzens im Verkehr der beiden Geschlechter wenigstens als höchstes Ziel hingestellt wurde; das ist echt deutsch und steht über der heutigen Forderung des „Sichauslebens“.
Trotz der Vorliebe für mittelalterliche Romantik waren die damaligen Menschen keine weltfremden Träumer. Die Männer, die als Jünglinge an jenen Spielen mit ganzer Seele sich beteiligten, standen doch mit beiden Füßen in der wirklichen Welt, so Prinz Karl, der Vater