Heft 
(1914) 22
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Alt - Berlinische Erinnerungen.

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mit avec die feu! (du feu). Der befreiende Märzsturm des Jahres 1848 fegte auch das Rauchverbot hinweg, und als nun die Zigarrenläden wie Pilze aus der Erde schossen, da hatte das letzte Ständlein der fliegenden Zigarrenhändler geschlagen.

Als nach dem .Jahre 1848 die Reaktion und das stramme Regiment Hinckeldey in Berlin herrschten, erschien eines Tages plötzlich ein Polizeidekret, wonach vom nächsten Sonntag an alle Verkaufsläden nur bis vormittags 9 Uhr um welche Zeit damals die llauptgottesdienste begannnen geöffnet sein sollten. Durch diesen Erlaß eines Hoch- mächtigen wurde aber durch die Praxis eines kleinen Mannes ein großes Loch gestoßen. Zu jener Zeit wohnte an der Wall- und Griin- straße-Ecke in einem ganz primitiven Laden von nur 10 Fuß im Quadrat ein kleiner Kuchenbäcker, welcher dadurch in Berlin bekannt war, daß er als seine besondere Spezialität ganz kleine Vanillenbretzeln (die heutigen sog. Gnadauer) 24 Stück für 1 Sgr. fertigte. Als dieser Kuchen­bäcker nun an dem fraglichen Sonntage absolut kein Geschäft gemacht hatte, erschien er am Montag Morgen mit seinen 7 Kindern an der Hand auf dem Polizeipräsidium und sagte:Meine Herren! Wenn des Sonntags Nachmittag ein großer Meuschenstrom durch die Wallstraße nach dem Potsdamer Tore zu in das Freie zieht, dann mache ich mein Hauptgeschäft und verdiene mehr als in den 0 Wochentagen zusammen. Am gestrigen Sonntage habe ich aber wegen des ganz bureaukratischen Polizeidekrets nichts eingenommen. Wollen Sie mich nun gefälligst während der nächsten Woche mit meinen 7 Kindern erhalten? Diese drastische Beweisführung hat damals sicherlich viel dazu beigetragen, daß am nächsten Sonntage die Verkaufsläden außer der Kirchenzeit wieder geöffnet sein durften. Man sieht, alles ist schon dagewesen.

Bis in die 20er Jahre vorigen Jahrhunderts wurde nach Gute Groschen gerechnet, von denen 24 Stück auf einen Taler gingen, und dann wurden die Silbergroschen geprägt, 30 Stück auf einen Taler. Die alten Leute rechneten aber noch lange Zeit nach Gute Groschen, man sagte 2 oder 4 Gute kostete die Ware, und wenn man etwas be­zweifeln wollte, dann wurde die Redensart gebraucht:Aber ich bitte Sie um 1000 Achtgroschenstücke, diese Sache kann doch nicht stimmen. Ein volkstümlicher Gruß ist selbst heute noch:Prost Neujahr, acht Groschen her! Dieses Festhalten an altgewohnten Gebräuchen zeigt sich auch heute noch. Ein Menschenalter ist schon vergangen seit der Einführung des Dezimalsystems mit Kilo, Täter, Mark, aber es wird noch eine zweite Generation von Menschen absterben müssen, ehe das Reden von 1/4-Pfunden, Scheffeln und Ellen aufhört, oder ehe das Reden von Sechsern, Groschen und Talern verschwändet.

Bis um die Mitte der 40er Jahre des vorigen Jahrhunderts waren die Bürgersteige nur in den Hauptstraßen mit Granitplatten belegt.