Heft 
(1914) 22
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bändigen. Auch etwas minderwertiges Hacksteinwerk kleinern Formats und jüngeren Datums wurde sichtbar.

Welche Verwilderung und Verwahrlosung der Hautechnik zufolge Verdrängung des alten Rohziegelbaues durch die äußerlich elegante Abputztechnik entstand, davon zeugten die zu Anfang des 18. Jahrhunderts entstandenen kurfürstlichen und königlichenFreihäuser an der Schloß- freiheit. Als, um Raum für die Denkmalsanlagen zur Ehrung Kaiser Wilhelms des Grollen zu gewinnen, dort die Häuser niedergerissen wurden, zeigte sich, daß in dem mittleren Hause die Backsteinlagen krumm und schief, also alles andere, nur nicht wagerecht lagen. Ein Polier, der heute wagen wollte, so zu bauen, würde sofort weggejagt und ersatz­pflichtig gemacht werden. Dabei war äußerlich die Fassade echt klassisch mit Palmendekoration (Palmzweigen) verziert und sogar vom großen Andreas Schlüter gebaut, demselben Künstler, dem allerdings auch gegenüber an der Schloßecke der einstürzende große Münzturm so miß­riet, daß der berühmte Meister dauernd in Ungnade fiel und Berlin räumen mußte. Schlüter hat sich bei uns am Backsteinbau umsomehr versündigt, als selbstredend seinem Vorgang und Beispiel die kleinen Meister gefolgt sind. Die Mauerziegel für die erwähnten Freihäuser stammten aus der Ziegelstraße und sind kleineren Formats. Insbesondere der Große Kurfürst liebte die kleineren Dachziegel, die er in den Nieder­landen, wo sie vielfach als Klinker hergestellt wurden, kennen und schätzen gelernt hatte. Diese kleinen holländischen Ziegel werden wegen ihrer Winzigkeit auch wohlPfefferkuchen-Steine genannt.

Unter dem Soldatenkönig nahm der Rohziegelbau einen plötzlichen höchsterfreulichen Aufschwung. Der Monarch, der von sich sagte, daß er ein gut holländisch Ilerz habe, ließ bekanntlich in Potsdam ganze Straßenzüge, das sogen. Holländische Viertel, in dieser Ausstattung auf­bauen. Aber die roten Backsteine dort stammen nicht aus der Berliner Ziegelstraße, sie sind anscheinend aus dem eisenockerig gefärbten Havel­ton bei Rathenow gefertigt. In Berlin hat Friedrich Wilhelm I. leider nicht holländisch bauen lassen.

Wir werfen noch einen Blick auf die jetzige Ziegelstraße. Die alten Kasarmen der Artillerie des Alten Fritz sind längst dem I. und II. Bataillon des 2. Garderegiments zu Fuß überwiesen. Die Straße weiter auf dieser Seite, links von der Friedrichstraße, enthält u. a die Bech- steins Pianoforte-Fabrik und dient dann zahlreichen privaten Polikliniken und chirurgischen Fabrikationsstätten, die ihre Beziehungen zu den ge­genüberliegenden Kliniken der Universität haben, welche letzteren im edlen Rohziegelbau aufgeführt sind. Dasselbe ist mit Nr. 12 der Städti­schen Luisenschule der Fall, die in trefflicher roter Backsteinarchitektur prangt. Das Grundstück ist für diesen Bau von den Erben des um die