Heft 
(1914) 22
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Zur Geschichte <ler Ziegelstraße in Berlin.

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Architektur und plastische Ausschmückung Berlins in den dreißiger bis fünfziger Jahren hochverdienten Stadtbaurats Ernst Cantian erworben worden, der auf dem erwähnten alten Dorotheenstädtischen Friedhof an der Chausseestraßo im Familiengrab ruht. Durch Cantian ist die Ziegel­straße, man kann sagen für alle Zeiten berühmt geworden. Cantian, aus einer in Berlin eingewanderten alten Steinmetz- und Bildhauerfamilie stammend, hat u. a. die Adlersäule au der Schloßecke und die große Schale vor dem alten Museum hergestellt. Auf seiuem Ziegelstraßen­grundstück wurden hierorts die ersten Versuche der Steinschleiferei und der Steinpolitur in Granit und Gneis, also besonders hartem Material gemacht. Die preußischen Könige und Prinzen, sowie viele berühmte Künstler und Gelehrte haben in dem gastlichen Cantianschen Hause verkehrt. Da Cantian von 1851 ab mein Vormund war, so habe ich mich daselbst und auf dem überaus interessanten Bauhof, der höchst merkwürdige Steinarten, sowie daraus hergestellte oder entstehende Kunst­werkstücke beständig enthielt, häutig aufgehalten. Auch die Monumental- Anlagen auf dem Bellealliance-Platz rühren von Cautau her. Nament­lich ist die dortige Siegessäule in der Ziegelstraße geschliffen worden, und groß war unser Schrecken und Kummer, als wir erfuhren, daß der geniale Künstler kurz vor der Einweihung der Bellealliancesäule oben von deren Baugerüst herabgestürzt sei. Glücklicherweise wurden die dabei erlittenen ziemlich schweren Verletzungen nach einiger Zeit wieder geheilt.

Endlich sei noch aus neuester Gegenwart einer der riesigsten Ziegel- bauten Berlins gedacht, deren gewaltige Rückfront an demjenigen Teil der Ziegelstraße entsteht, der früher Flatkows Gasse hieß. Der ganze ungehäure Block zwischen diesem Teil der Ziegel-, Monbijou-, Artillerie- und Oranienburger Straße wird für den kaiserlichen Post- und Tele­graphendienst mit Gebäuden aus Ziegeln bedeckt. Fast die Hälfte nimmt das zukünftige Haupt-Telegraphenamt ein, das im nächsten Jahre von der Französischen Straße hieher übersiedelt. Das übrige Gelände wird dem Postpaketamt gewidmet. Von der Ziegelstraße aus führen verschie­dene Einfahrten in das Innere. So sieht also unsere alte schlichte Zie­gelstraße einer neuen großartigen Entwickelung entgegen.

(Vergl. hierzu meinen Aufsatz in der Tonindustrie-Zeitung, Berlin den 3. Dezember 1912).