11. (8. außerordentliche) Versammlung de* XXI. Vereinsjahres.
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in Potsdam schon lange kein Geheimnis mehr war, daß dessen früher so reichlich bekundetes Interesse an der ihm unendlich viel verdankenden Stadt geschwunden, ja daß in selbstquälerischer Grille ihm sogar die Erhaltung der Kunstschöpfungen in Sanssouci und dem Neuen Palais gleichgültig geworden war, so wußte beim Ilintritt Friedrich II. in Potsdam auch alle Welt, daß unter seinem Nachfolger ein völliger Umschwung bevorstehe. Was dem Leben Friedrich II. gefehlt hatte, war die Frauenliebe. Was vom Leben an seinem Hofe die Frauen beinahe ausgeschlossen hatte, diese Sinnesart fand in der Weltfreudigkeit Friedrich Wilhelms ihr völliges Gegenteil. Fortan spielte die Dame in der Hofgesellschaft die Hauptrolle, und bei weitem nicht immer die Dame als Trägerin edler Weiblichkeit. Hierzu kamen des Königs mystische Neigungen, die von gewissenlosen Höflingen ausgenutzt wurden, mit der Wirkung, daß in wenig Jahren der Fridezianische Geist in allen Zweigen des öffentlichen Lebens schwere Einbuße erlitten hatte. In diesem Zusammenhänge gedachte der Vortragende der vorher, w r enn auch nur von außen, gesehenen Baulichkeiten, der Einsiedelei, der Grotte und der Orangerie; denn die Besichtigung ihres interessanten und zum Teil prächtig ausgestatteten Innern wird bezüglich der ersten beiden gewährt. Gerade an sie knüpfen sich Erinnerungen an mystischphantastische Vorführungen mit Aeolsharfen-Begleitung und Geistererscheinungen im Stile der von Schiller in seinem „Geisterseher“ geschilderten, die nachweislich die Seele des Königs mehr und mehr verdüsterten. Freundlichere Erinnerungen knüpfen sich an die Orangerie, in denen der König, ein meisterhafter Cello-Spieler, von Zeit zu Zeit Konzerte veranstaltete, zu denen jeder anständig Gekleidete freien Eintritt hatte. Die interessanteste Erinnerung aber weist die Orangerie vom 2. Januar 1813 auf, als dem in ihr gerade weilenden König Friedrich Wilhelm III. die kühne Tat des Generals York, dessen in der Silvesternacht in Tauroggen erfolgter Anschluß an den russischen General Diebitsch, gemeldet wurde. Erinnerungen eigener Art sind auch mit dem für Friedrich Wilhelm II. durch Gontard gebauten Marmorpalais verbunden. Errichtet ist dasselbe aus Backsteinen und Marmor, und sinnfällig gekennzeichnet durch seine grünen Fensterläden; doch darf die Verwendung von Marmor zu der Anlage nicht gerade als einwandsfrei gelten, weil das kostbare Gestein einem von Friedrich II. in der langen Allee in Sanssouci, um deren weite Erstreckung anmutig zu unterbrechen, angelegten Rundbau mit Figurenschmuck entnommen wurde. Hierbei soll kostbaren Monolithen aus schlesischem Marmor durch Zerstückelung übel mitgespielt worden sein. Neuer Garten und Marmorpalais haben lange dafür gegolten, daß dort etwas gelebt und gewebt hatte, das nicht recht in die Überlieferungen der Hohenzollern paßte. Diese Erinnerung ist indessen längst beschworen, seitdem der gegen-