Heft 
(1914) 22
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13.(4. ordentliche) Versammlung des XXI. Vereinsjahres.

es wurde in dem Hause, das beim Wechsel an die Reihe kam, von 5 bis 10 Uhr fleißig gearbeitet, der betreffende Hausvater und seine Frau waren gegenwärtig, und erst nach 10 Uhr hatten, aber keineswegs alle Tage, die jungen Burschen Zutritt, mit Ausnahme desjenigen, der die lichtspendenden Kienspäne zu erneuern und in Glut zu erhalten hatte. Erst nachher wurde, nachdem die Spinnräder beiseite geräumt, zuweilen ciu Tänzchen gemacht, unter Begleitung von Gesang oder irgend einem ursprünglichen Musikinstrument. Während des Spinnens aber wurde, wenn das Erzählen stockte manche hübsche Sage, manches Volks­märchen mag so von Mund zu Mund übertragen worden sein, das Schnurren der Spinnräder durch gemeinsames Singen übertönt. Wir besitzen aus dem 17. Jahrhundert die Handschrift eines märkischen Pfarrers, der mit großer Genauigkeit die nach seiner Darlegung sich auf 38 beziffernden Einzelarbeiten schildert, welche der Flachsbau dem Landmann auferlegt bis zu dem Punkte, da Flachs und Werg spinn­fähig waren uud die Kunkel in Bewegung gesetzt werden konnte. Man gewinnt daiaus den Eindruck, daß nach einer überaus mühseligen und besonders bei den letzten Vorbereitungsarbeiten des Brechens und Schwingens sehr staubigen Arbeit die Spinnstube eher eine Erholung für die mitanfassenden Bauerntöchter uud die Mägde war, zumal die Spinnarbeit im Jahr meistens erst anfmg, nachdem bis Ende Oktober der Flachs markt- und verarbeitungsfähig hergestellt war. Ziemlich allgemein war der Brauch, sich erst von Mitte November ab in der Spinnstube zu löblichem Tun zu vereinigen eine Bewirtung war ausgeschlossen und bis Mitte März an allen Wochentagen, mit Ausnahme des Sonnabends und mit Ausnahme der12 heiligen Nächte, nämlich der 6 Tage vor und 6 Tage nach Weihnachten, hiermit fort­zufahren. Seltsamerweise galt letztere Ausnahme für Mägde und Knechte nicht. Dem von ihnen in den heiligen Nächten gefertigten Gespinst wurden besondere Eigenschaften nachgerühmt. Mit dieser Ausnahme bestand eine Absonderung der Mägde von den Bauerntöchtern anscheinend bei der Spinnarbeit nicht, nur die bis vierzehnjährigen Mädchen vereinigte man von den älteren getrennt bei der Arbeit. Einzelne Tage, wie Lichtmeß, Fastnacht und der auf den 29. November fallende Andreastag waren durch besondere Scherze, wohl auch durch allerhand Allotria aus­gezeichnet, letzteres Datum z. B. durch das sogenannteStippen, wobei man die Namen der anwesenden Burschen an eine Wandtafel schrieb und die jungen Mädchen mit verbundenen Augen sich dann den künftigen Schatz heraussuchen mußten. Groß war die Auswahl der Lieder, die während des Spinnens gesungen wurden und unermüdlich wurden selbst Lieder von vielleicht 100 Versen gesungen. Dem Vor­tragenden hat aus dem Westhavellande eine vor 40 Jahren aufgeschriebene Sammlung von Spinnstubenliedern Vorgelegen, 3 Bände stark und für