13. (4. ordentliche) Versammlung des XXI. Vereinsjahres. 57
die erstaunliche Tatsache sprechend, daß diese Lieder fast ohne Ausnahme von den Sängerinnen auswendig gewußt wurden. Die Zahl der Lieder ganz alten Datums ist verschwindend gering, es sind meist solche aus dem 18. und 19. Jahrhundert, wie „In einem Tale friedlich stille“, „Denkst Du daran, mein tapferer Laczienka“, „Zu Mantua in Banden“, „Fern im Süd das schöne Spanien“ u. s. f. Ein besonders langes und aus d. J. 1810 betrifft die Königin Luise und ihr vorzeitiges Scheiden, auch ein 1870 nach der Kriegserklärung gedichtetes Lied schlägt kräftige, vaterländische Töne an. Im ganzen aber gewinnt inan den Eindruck, daß die ihrem völligen Erlöschen entgegengehende märkische Spinnstube, auch abgesehen von der veränderten Beleuchtung, seit 50 oder t>0 Jahren schon nicht mehr das war, was sie viele Jahrhunderte lang für das Landvolk gewesen. Denn fast ganz so, wie es noch aus Zeugnissen des 14., 17. und 18. Jahrhunderts uns entgegentritt, beschreibt die Edda das vereinte Spinnen der Mägde in der Gesindestube. Die Wandlung kanu nicht überraschen, es ist eher verwunderlich und spricht für das Beharrungsvermögen in diesen Dingen, daß die Spinnstube beinahe ein Jahrhundert das technische Ereignis überdauert hat, das ihr den Boden entzog und das llandgespinst dem Maschineugespinst nicht mehr wettbewerbsfähig machte. Daß der Umwandlungsprozeß eigentlich erst vor 20—25 Jahren seinen Abschluß gefunden hat, als ländliche Leinen-Spinnerei und -Weberei in unserer Provinz endgültig in die Städte Sorau, Cottbus nnd Vetschau wanderte, spricht auch für die schonsame Art, mit der überall vorgegangen worden ist. — In dem sich anschließenden Meinungsaustausch wurde noch darauf aufmerksam gemacht, daß die Spinnerinnen es liebten, ihren Rocken mit bunten, über Kreuz gebundenen Bändern zu zieren und in mit Inschriften versehene Stoff- oder Papierhauben zu stecken Es wäre erwünscht, daß solche mit Inschriften versehene Rockenhüllen, wo sie sich noch finden, dem Museum überwiesen würden.
XX. Nach der Sitzung zwanglose Zusammenkunft im Hofbräu, Potsdamer Straße 127/128.
XXI. Wortlaut der Vorlage zu Nr. VIII dieses Protokolls:
Von Alt-Rixdorf zu Neukölln
von Ernst Friedel.
Durch die Umtaufung des 552 Jahr alten Namens des Berliner Vororts ist auf ihn die allgemeine Aufmerksamkeit ziemlich plötzlich gelenkt worden. Geleugnet kann es nämlich kaum werden, daß sogar viele Berliner und Groß-Berliner nur eine ziemlich unbestimmte Vorstellung von Rixdorf haben, daß ihnen die Umbenennung nnd ihr Anlaß überraschend kam, daß auch die meisten noch jetzt nichts Rechtes mit