Heft 
(1914) 22
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3. (2. auBerordentl.i Veraammlnnsr «lea XXII. Vereinojahre«.

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Nachdem wir uns aucli hier mit herzlichem Danke verabschiedet hatten, war die Zeit zur Mittagspause herangekommen. In den Lichterfelder Festsälen, Zehlendorfer Straße 5, war die Tafel schon gedeckt. Herr Geheimrat Friedei toaste hier auf den Führer des heutigen Tages Herrn Kechnungsrat Kerkow und seine Familie.

Nach dieser kurzen Pause wurde nun die Hauptkadettenanstalt aufgesucht. Ihr Kommandeur, Herr Oberst von Zaborowski hatte die Erlaubnis erteilt, und der Adjudant, Herr Oberleutnant Schaefer, empfing am Hauptportal die Braudenburgia. Die Anstalt wurde im Jahre 1878 nach hierher verlegt. Wir betraten zuerst die Kirche, in welcher an jedem Tage eine Frühandacht und am Sonntag Gottesdienst abgebalten wird. Die Gebäude umgeben einen geräumigen Hof, der zur Hälfte als Paradeplatz dient Der große bronzene Flensburger Löwe bildet den Schmuck. Kr war nach dem Siege der Dänen bei Idstedt über die Schleswig-Holsteiner am 25. Juli 1850 auf dem alten Friedhof in Flensburg errichtet worden und wurde 1864 als Siegesbeute mitgebracht. Darauf wurden die iuneren Räumlichkeiten besichtigt, z. B. eine Stube, ein Unterrichtszimmer, der Turnsaal, das Unteroffizierkasino usw. Der interessanteste Raum ist der große Feldmarschallsaal; hier hängen die Bilder der preußischen Feldmarscbälle von Sparr bis Waldersee, und auch Wellington ist darunter. Außerdem werden hier zwei Degen auf­bewahrt. Der eine gehörte dem großen Kaiser und wurde laut einer eigenhändigen Notiz von ihm vom Jahre 1832 bis zum 3. Jnli 186G getragen. Der zweite ist der Napoleons, welcher nach der Schlacht bei Belle-Alliance erbeutet wurde. Interessant sind die Einrichtungen für die Verpflegung; der große Speisesaal, wo täglich 1000 Kadetten drei­mal ihre Mahlzeiten eiunehmen; hier hängen die Porträts der ehe­maligen Kommandeure, darunter auch das des Generals von Steinmetz. Die Ökonomie besitzt 9 Kühe und IG Schweine, und das Gebäck wird in einer eigenen Bäckerei hergestellt. Auch hier bedankten wir uns für die eingehende Führung.

Hieran schloß sich die Kaffeepause im Ratskeller, worauf endlich der letzte Punkt des Programms, der Besch der Giesensdorfer Kirche erledigt wurde. Hier hatte Herr Pfarrer Much die Führung übernommen. Er schilderte in seinen Ausführungen die geschichtlichen Begebenheiten des kleinen Ortes. Giesendorf wurde zuerst 1299 in einer Urkunde des Markgrafen Hermann, das wahrscheinlich von niederländischen Siedlern gegründete Lichterfelde bereits 1289 in einer Spandauer Urkunde genannt. Schon das Landbuch Karls IV. meldet 1375, daß Mühle und Krug wüst seien. Die Schoßregister von 1480 berichten ähnliches, und ein 1602 angelegtes Rechnungsbuch enthält zahlreiche Angaben über die Zeit des 30jährigen Krieges, wonach auch das Giesendorfer Kirchenbuch 1642 von denKrabaten (Kroaten) geraubt, wurde. 1634 konnte der