3. (3. außerordentliche) Versammlung den XXII. Vereinsjahre».
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rechnen. |)ann wurden sie angetrieben, ihr Brot selber zu verdienen: So wuchs aber ein hartes, kerniges Geschlecht heran. „Sie gehen an ihre Arbeit im Sommer schon um 2 Uhr morgens, erreichen 70, 80 und meliere Jahre, bleiben Gei guten Kniffen in diesem Alter, noch ihre gewöhnlichen Geschälte versehen zu können“ (1784). So kommt es auch, daß sich die Familien lange erhalten. Die jetzigen Namen Hagendorf, Kugel, Kuhlbrodt, Rietz und Schmidt kommen schon in den ältesten Zeiten vor. 1784 gab es mehrere Familien Baumgarten (3), Fritze (6) Hagendorf (5), iiintze (0), Kagel (8), Krüger (6), Kuhlmey (5), Kuhlbrodt (O), Bendel (4), Mai (6) und Schmidt (12) bei lllil Seelen. Als der Kreisarzt vor kurzem die Schülerinnen der 1. Klase der Volksschule in Werder zu Gesicht bekam, rief er aus: „Werder ist wirklich ein Pfeiler der Monarchie.“ I He Frauen müsseu hier besonders schwer arbeiten, z. B. beim Obsttransport. Das erste Transportmittel war die Kiepe, in der das Obst nach Potsdam und selbst bis nach Berlin getragen wurde. Dann benutzte man den Wasserweg und die Frauen ruderten die grollen Schuten lmvel- und spreeaufwärts. Bei günstigem Wetter wurde auch gesegelt. Auf der „Bangen Brücke“ in Potsdam versammelte sich das Publikum, wenn „die Werderschen“ fröhlich singend heranruderten. Auf halber Strecke zwischen Wannsee und Schildhorn fand die Ablösung statt. Die von Werder Kommenden nahmen die leeren Schuten in Empfang, die andern brachten die vollen nach Berlin. Fontane gedenkt des Betriebs in seinen Wanderungen.
Allerlei Sitten und Gebräuche bestanden schon 1780 in Werder. Als Hochzeitstag galt der Donnerstag. Die Braut trug eine Myrtenkrone. War das Wetter gut, so bedeutete das Glück für die junge Ehe. Bei der Mahlzeit gab es zuerst Suppe und Fleisch; dann folgte das „Ehestandsgericht“, ein zubereiteter Kalbskopf oder Reisbrei, dann gab’s verschiedene Fische und endlich Braten von „zahmen Tieren“. Dazu wurde einheimischer Wein getrunken und zwar nicht wenig. Auch Nachbarn und Freunde bekamen „Kosthappen“, wer übersehen wurde oder nicht genug bekam, forderte seinen Anteil und beleidigte nicht selten die Gäste, hob auch wohl Tür und Fenster aus, sodaß zuweilen die Polizei einschreiten mußte. „Springende Tänze“ waren beliebt, wobei den Männern das lauge, ungeschnittene Haar um das Haupt flatterte. Gegen Mitternacht wurde der Kranz abgetanzt, und die Braut nahm dann in einem besonders dazu erfundenen Tanz Abschied von den Gästen. Die Gesellschaft ging selten vor 5 oder 0 Uhr auseinander. Am folgenden Tage sangen die Schüler dem neuen Paare ein Lied und erhielten dafür eine Suppe, von Wohlhabenden auch wohl einen Groschen. 1782 wurde diese Sitte vom Rektor abgeschafft.
Die Toten wurden in ein weißes leinenes oder kattunenes Sterbekleid gewickelt, in die Bahrkappe, die einige Eilen zum Sarge hinaus-