Heft 
(1915) 23
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9. (7. außerordentliche) Versammlung des XXII. Vereinsjahres.

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demalten Heim, seinen Seelenadel, seine ruhige Heiterkeit, seine ge­wissenhafte Uneigennützigkeit und sein zartfühlendes, für alles Edle und Schöne empfängliches Herz. HufelandsMakrobiotik oder die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern ist in alle Kultursprachen über­setzt. Dabei ist Hufeland selbst Ironie des Schicksals nur 74 Jahre alt geworden.

In die modernsten chemisch-technischen Erfindungen versetzt uns das stattliche Grab des 1892 verstorbenen Professors Wilhelm von Hofmann, eines Freundes der Kaiserin Friedrich. Er hat bekanntlich aus einem Derivat der Steinkohle die Anilinfarben hervorgezaubert, die binnen kurzem ihren Siegeszug durch die Welt nahmen.

Die älteren Berliner erinnern sich noch sehr wohl der großen Ettgelsschen Eisenindustriefabrik an der Chausseestraße; Engels ruht hier, nicht so berühmt ist er geworden wie sein weiter südlich in einem or­namentalen, reichgeschmückten Portikus beigesetzter Kollege August Borsig, derLokomotivenkönig (+ 1854), der es nur auf 50 Lebensjahre ge­bracht hatte.

Dazwischen passieren wir die Grabhügel des vor zwei Jahren verstorbenen, weithin bekannten Kehlkopfarztes Bernhard Frankel, des Finanzministers Bitter und des als Schüler Rauchs hochgeschätzten, 1874 verstorbenen Bildhauers Blaeser, eines Proteges der Kronprinzessin Viktoria.

Mit Erfurcht treten wir nunmehr vor das Denkmal des großen Schinkel, des berühmtesten Baukünstlers Preußens im 19. Jahrhundert. Wie unscheinbar, ja dürftig ist dies Monument mit dem kleinen Relief­kopf des Meisters! Geboren zu Neuruppin 1781, starb er infolge von Über­arbeitung 1841. Man müßte stundenlang schreiben, wollte man seine Verdienste auch nur für Berlin und Potsdam vollauf würdigen. Wem treten nicht vor die Seele die Königswache, das Kreuzbergmonument, die alte Bauakademie, die Werdersche Kirche, die Nicolaikirche in Potsdam, Charlottenhof usf.!

Während auf dem neuen Kirchhof der Dorotheenstadtgemeinde wenigstens zwei neuere Komponisten von Ruf ruhen, Otto Nicolai und Theodor Kullak, weist der alte Gottesacker nur einen namhaften Ton­setzer auf: Friedrich Rungenhagen (f 1851). Hugo Riemann urteilt von ihm:Einer von den vielen verdienten Musikern, diegute Musik geschrieben haben, er wurde 1815 Zweiter, 1833 Zelters Nachfolger als Erster Dirigent der Singakademie, 1843 zum Professor ernannt. R. schrieb vier Opern, drei Oratorien, eine Messe, ein Stabat mater, Kantaten, eine große Zahl Motetten und andere geistliche Gesänge sowie gegen tausend Lieder, auch Sinfonien, Quartette usw. Wie traurig steht es doch mit dem Nachruhm! Wer kennt heute noch den überaus frucht­baren Komponisten?

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