Heft 
(1915) 23
Seite
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Als die Bewegung des Jahres 48 begann, war v. Rappard eifrig mit Meliorisationen auf seinen Gütern Glambeck und Osdorf, namentlich mit Mergelungen usw., beschäftigt und dachte nicht an politische Tätig­keit. Ganz ohne sein Zutun und sehr gegen seinen Wunsch wählte ihn der Kreis Angermünde sowohl in die deutsche Nationalversammlung nach Frankfurt als auch in die preußische Nationalversammlung nach Berlin. Er wollte die Wahlen zunächst durchaus nicht annehmen, ließ sich aber schließlich von seinen Freunden zur Annahme bewegen und trat, seiner freisinnigen politischen Überzeugung folgend, in beiden Versammlungen der entschiedenen Linken bei, ohne jemals radikale Tendenzen zu vertreten. In Frankfurt gehörte er der Partei der Westend­halle an und wurde hier besonders intim befreundet mit Heinrich Simon, dem eigentlichen Führer der Frankfurter Linken. Zu seinen engeren Parteigenossen gehörten der große Ästhetiker Vischer (Auch Einer), der Nationalökonom Ilildebraud, der Statistiker Freiherr v. Reden, die Württemberger Schoder und Schott, der Schriftsteller Venedey u. a. Rappard ist als Redner kaum hervorgetreten, bei der Kaiserwahl gab er sein Votum für König Friedrich Wilhelm IV. ab, im übrigen stimmte er aber natürlich durchweg mit der Linken und nahm auch noch an den Verhandlungen am Stuttgarter Rumpfparlament teil, in denen er seinen Freund Simon zu einem der fünf Reichsregenten wählte. Es scheint ihm diese Beteiligung von der preußischen Regierung übel genommen zu sein. Als er nach Schluß der Verhandlungen ruhig wieder in Glambeck seinen landwirtschaftliche!! Arbeiten oblag, erhielt er von dem ihm befreundeten Minister v. Manteuflel die ernstliche Mahnung, die Heimat zu verlassen, da ein neu einzusetzender Hoch­verratsgerichtshof sich demnächst mit seinem Verhalten beschäftigen werde, v. Rappard beachtetete diese Warnung nicht, bis eines Nachts ein Expreßbote von Manteuflel ihn benachrichtigte, daß er am nächsten Morgen verhaftet werden solle und wahrscheinlich eine sehr strenge Bestrafung zu erwarten habe. Er entfloh nun an die Nordsee und konnte sich von Norderney nach Helgoland und London retten. Von hier ging er nach Zürich, wo seine Schwester als Frau des Professors Kapp lebte. Tatsächlich wurde der Prozeß gegen ihn durchgeführt und er zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe verurteilt. Rappard erhielt das Urteil in Paris; sein unermüdlicher Forschungstrieb hatte ihn inzwischen zu ganz neuen (zoologischen) Arbeiten geführt. Er untersuchte in Paris unter Unterstützung der Professoren Quatrefage, Blanchard usw. eine dort vorhandene reichhaltige Spinnensammlung, entdeckte und erforschte die an jedem Fußende vorhandenen Käimnchen und Bürstchen und es mag sein, daß Prof. Harnack die eigenartigen Arbeiten Rappards vor­geschwebt haben, als er vor einigen Jahren Ostwald gegenüber die Erforschung von Spinnenbeinen in etwas wegwerfender Weise besprach.