Heft 
(1915) 23
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C. H. Johl

Ihnen den Kopf vor die Füße legen wollte, hat man mich zam Fürsten gemacht.

Rappard war inzwischen nahezu 60 Jahre alt geworden, aber seine schöpferische Tätigkeit war ungebrochen. Um seine Augen zu erholen, nahm er (1864?) längeren Aufenthalt am Giesbach am Brienzer See. Hier erfuhr er, daß die Familie Kehali, die den kleinen Gasthof dort hielt, ihren Besitz veräußern und daß die Gemeinde Brienz, welcher der den Fall umgrenzende prächtige Wald gehörte, diesen abholzen wollte. Er erkannte sofort, daß hiermit die ganze Schönheit und Romantik der Gegend zerstört sein würde und entschloß sich, um die Idylle zu erhalten, das ganze aufzukaufen. Er erbaute ein besseres Hotel, dem bald ein zweites sowie ein Chalet als Sommerwohnung für seine Eltern folgten und zog einen süddeutschen Freund Schmiedlin, eigentlich Botaniker dahin, der mit Frau und Töchtern dem Hotel zu seiner Weit­berühmtheit verhalten. Rappard selbst war eifrig tätig, Park­anlagen, Wege und Brücken über den Fall zu bauen; er führte die bengalische Beleuchtung der Fälle ein und brachte das erste Dampfschiff auf den Brienzer See und in das Oberland überhaupt.

Sein Unternehmungsgeist wuchs nun wieder gewaltig. Unter Beteiligung von Freunden nahm er den später sehr bedeutenden Stein- brnch in Ostermundigen bei Bern in Arbeit, begann die Ausbeutung des Torfmoors in Hageneck und gründete endlich in Interlaken, in unvergleichlich schöner Lage, das erste große weltbekannte Hotel Jungfraublick, das noch heute in voller Blüte steht. Für dieses Hotel gründete er eine Aktien-Gesellschaft, deren Direktoren er und sein Schwager Loewe-Calbe, der letzte Präsident der Nationalversammlung, waren und das Hotel wurde bald der Sammelplatz der in der Schweiz Erholung suchenden Liberalen und vieler anderen bedeutenden Männer. Ludwig Bamberger erwähnt in seinen Erinnerungen die gemütlichen Abende in dem Rappardschen Hotel; er nennt hier Rappard einen liebenswürdigen, mit stark entwickeltem Sinn für Natur begabten Menschen. Bamberger erwarb bald darauf ein eigenes Besitztum in Interlaken und war regelmäßig im Sommer dort. Unter den sonst dort vielfach Anzutreffenden seien Tafel und Hausmann aus Stuttgart, Carl Maier aus Eßlingen, Lasker, Dunker, Twesten, Gneist aus Berlin usw. genannt. Nach Fertigstellung des Hotels nahm Rappard die Aufschließung des unmittelbar an Interlaken grenzenden Rugenberges in Angriff. Die schönen Parkanlagen, die heute den Wanderer erfreuen, sind von Rappard zum größten Teil auf eigene Kosten erbaut. Hier in Rugenmatte erbaute er sich auch sein idyllisches Wohnhaus, das er bis zum Tode bewohnte. In den Winterinonaten lebte er zuletzt häufig in Rom, in den Sommermonaten zog er aber einen stets wachsenden Kreis bedeutender Männer nach Interlaken. Es verkehrten bei ihm die