56
0. H. Johl
Buseban*) sich von Kimakowicz haben blenden lassen, und da die Frage für die Geschichte der primitiven Weberei von größter Bedeutung ist, ist es notwendig, die Gründe und Ansichten des Museumsdirektors im Hermannstadt einmal einer genaueren Prüfung zu unterziehen.
Was zunächst seine Auslegung des bekannten Penelope-Webstuhles auf der Chiusivase betrifft, so muß daran festgehalten werden, daß wirklich ein Webestuhl, nicht, wie K. meint, ein Flechtgestell dargestellt ist. Das ist angesichts der zahlreichen Stellen griechischer Schriftsteller, aus denen hervorgeht, daß die Griechen in alten Zeiten die Kettenspannung bei aufrechten Webestühlen durch angehängte Steine erzeugten, ganz zweifelsfrei. Ja K. hätte bei Blümner*) lesen können, daß Theodosius (Bekker, A.G. III 1208 - Georgios Choeroboskus, Gr. gr. IV Vol. 1 p. 332,19) schon die runde, durchbohrte Form der Zettelstrecker gekannt hat. K.’s Angriffe gegen die nordeuropäischen Gewichtstühle würden vielleicht vorsichtiger gewesen sein, wenn er gewußt hätte, daß wir schon seit fast 20 Jahren noch andere Webstuhlbilder aus Griechenland haben, die mehr als der Penelopestuhl dem nordischen Typus entsprechen.
In Theben nämlich wurde eine Vase*) gefunden, deren eines Bild Kirke an einem aufrechten Webestuhl arbeitend zeigt. Das Gefäß gehörte früher zur Collection van Branteghem, befindet sich jetzt aber im Britischen Museum zu London. Die Kettenfäden dieses Webestuhles werden durch zwei Reihen von Steinen gespannt; die obere Reihe hat sieben größere, die untere acht kleinere Webegewichte.
Auch auf einer anderen Vase aus Theben*) sehen wir Kirke am Webestuhle. Das Gestell ist hier breiter, die Zahl der Zettelstrecker größer. In zwei Reihen hängen je vierzehn Steine an den Kettenfäden.
Spannt bei diesen Bildern jeder Stein eine größere Zahl von Fäden, so strafft an dem schon erwähnten Penelopestuhl 7 ) jedes Gewicht
*) Siehe Buschans Kritik des K'schen Buches im Centralblatt fiir Anthropologie. Auch schrieb er mir auf einer Karte vom 20. Okt. 1910: „Übrigens wird die Sache mit den Tonkegeln oder Zettelstreckern ziemlich gegenstandslos.“
4 ) Hugo Bliimner, Technologie und Terminologie der Gewerbe und Künste bei Griechen und Körnern, Leipzig *1875, S. 128 u. 129; 2 1912,8. 147 sind in unbegreiflichem Irrtume Tonkörper als Zeddelstrecker abgebildet, die im Originale bei Haremberg- Saglio II S. 1426, Big. 3886—8 deutlich mit fusäioles, d. i. Spinnwirtel bezeichnet sind.
_*) Fröhner, Collection van Branteghem, Catalogue. Brüssel Taf. 45. Walters, The Journal of Hellenie Studies XIII 1892/93, S. 81, Fig. 2. Blümner, 2 S. 157. Ilooper. The Burlington magazine for connoisseurs 1910/11, S. 283, Fig. 8. Kiegl, Mitt. des K. K österr. Museums für Kunst und Industrie 1893, S. 291.
*) Britisches Museum. Walters a. a. O. pl. IV. Lamer, Griech. Kultur im Bilde (Wissenschaft und Bildung No. 82) Leipzig 1911, S. 24, Abld. 36.
T ) Monumenti dell’ Instit. 1872 VIII tab. 42, 1. Baumeister, Denkmäler III S. 2085, Fig. 2332. Blümner S. 157, Fig. 62. Baumgarten etc., die hellen. Kultur, Leipzig 1905, S. 95. Riegl, a. a. 0. S. 297 Fig. 5. Kimakowicz S. 39 Fig. 69.