‘J3. (15. außerordentliche) Versammlung des XXII. Vereinsjahres. 119
Burgstraße bemerkte ich in dein morastigen Untergrund zahllose Pfahlsetzungen, welche offenbar verschiedenen Perioden angehörten. Abgesehen von regelmäßig gesetzten behauenen Pfählen, die zu der früheren Uferschälung gehört haben mögen, kamen Unmengen roh oder gar nicht behauener, vom Morastwasser schwarz gefärbter, steiuharter, senkrechter Baumstämme und auch Querhölzer vor, auf denen Hütten gestanden zu haben scheinen; vielfach wurden sogenannte Urnenscherben, d. h. in diesem halle die Reste roher wendischer Gefäße, gefunden, die als Hausgeschirre, Kochtöpfe u. dergl. gedient haben mögen und ohne Drehscheibe hergestellt, auch niemals mit Henkeln versehen waren. Aber auch frühmittelalterliche christliche Töpferware der ersten deutschen Ansiedlung, hart gebrannt, blauschwarz, ohne Glasur, aber mit auf der Töpferscheibe hergesteltteu horizontalen Riefen versehen und gelegentlich mit Henkeln oder Griffen ausgestattet. Das sind die Spuren unserer ältesten berlinischen Vorfahren aus dein 12. und 13. Jahrhundert, sicherlich aus einer Zeit bereits vor der Ummauerung Berlins und vor der ersten urkundlichen Erwähnung des Namens Berlin. In dem Spreeboden sind damals noch ältere d.h. vorwendische, also germanische Topfreste in derselben Gegend gefunden worden. Unter den wendischen Resten befanden sich auch allerhand Küchenabfälle, Knochen vom Torfschwein u. dergl.
Ähnliche Befunde sind auch in dem ebenfalls morastigen Untergründe des Bankpalastes, in dem wir uns jetzt befinden, gemacht worden. Sie entsinnen sich wohl noch alle der Warenbörse, die hier eine Zeitlaug existierte und des hieraus hervorgegangenen weitläufigen Ver- guügungsetablissemeuts, das hier stand und als „Feenpalast“ weit bekannt war. Es haben aber hier keine gütigen Feen obgewaltet. Die Nachbarschaft ist weitherum lediglich Geschäftsgegend und deshalb für Vergnügungspaläste wenig geeignet. Kein Wunder, daß die Besitzer und Verwalter hier nicht auf ihre Rechnung kamen. Die Vorstellungen, welche hier stattfanden, wurden allmählich eingestellt. Das Gebäude wurde u. a. der Stadt Berlin als Unterkunftsraum für das Märkische Provinzial-Museum angeboten und ich erhielt den Auftrag daraufhin, die Räumlichkeiten zu besichtigen. Meist waren sie schon „wüst und leer“. Von den Jagdvorstellungen, die hier u. a. gegeben wurden, bemerkte ich noch im obersten Stockwerk u. a. einen Verschlag, in dem sich eine grunzende Wildsau, eine Bache, mit ihren quiekenden Frischlingen wälzte und frei herumlaufend einen armen verlassenen kleinen Rehbock, dei sich uns zutraulich näherte und um Brot bettelte.
Wie nun der Feenpalast verschwunden ist und wie sich aus den Ruinen der Palast der angesehenen Mitteldeutschen Creditbank, in deren vornehmen Räumen wir heut gastlich tagen, gleichsam wie der Vogel Phönix aus der Asche entwickelt hat, das werden wir nunmehr von zu-