Michael-Kohlhaa-Dramen.
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völlig der Knecht Kolbe. Die erste Scene überträgt nun ins Theatralische, was bei Kleist bereits dramatisch genug gestaltet ist: Herse wird aus des Junkers Burg hinausgeprügelt. Solches Umsetzen einer au sich dramatischen Wirkung ineinäußerlich-anschaulichesMomentcharakterisiert am besten den Unterschied zwischen dem Trauerspiel und der Novelle; es trägt nichts zur Verinnerlichung dieses Processes bei, wenn Maltitz sich in starker Wortabhängigkeit an Kleist anlehnt, wie dies im Bericht des Knechtes im Verhör vor seinem Herrn der Fall ist. Die Idee des Kampfes um das Recht wird bei Maltitz noch bewußter und vor allem rhetorischer zugespitzt und .verfolgt; dagegen wird das Eingreifen von Koblhasens Frau völlig nach dem novellistischen Vorbilde geschildert. Auch das Motiv des Erzengels Michael, für den sich Kohlbas ausgibt, wird von Maltitz übernommen, wenn auch nur in etwas milderer Form:
Man spricht
Euch sonderbar im Land von dieser Sache.
Die meisten glauben, Gott habe ihn gesendet,
Zu züchtigen die Großen allzumal.
Auch das Motiv der geheimnisvollen Kapsel findet sich bei Maltitz wieder, nur in einer etwas erweiterten Form, weil er durch einen hinzugefügten Liebesroman sogar die Vorherrschaft des Rechtsgedankens beeinträchtigt: er hat nämlich in die Vorfabel das Liebesverhältnis des Kurfürsten Joachim II. von Brandenburg mit Anna Sydow hineingezogen, die er zur Schwester des Kohlhas macht; dadurch wird das motivische Gewebe des ganzen nur unnötig belastet: Kohlhas gibt de?n Kurfürsten Schuld an dem geheimnisvollen Tode der Schwester und verfolgt den Landesherrn schon deswegen von vornherein mit leidenschaftlichstem Haß, während der Zettel in der bewußten Kapsel den Namen des wahren Schuldigen enthält. Kohlhas selbst kann auf dem Wege ,zum Schaffot „mit halb triumphierender, halb weinender Stimme“ ausrufen:
0 Gott! noch lebt in dieser Welt das Recht.
Der Junker Zaschwitz füttert meine Pferde!
Auch dieser Sieg des äußeren Rechtes stammt aus Kleist, so daß in diesem ersten Kohlbas-Trauerspiel Alles Gute, trotz gelegentlicher Vergröberung in Wort und Wirkung aus der Novelle stammt. Freilich hatte Kleist die Nachernte recht leicht gemacht, denn seine Erzählung ist eine ununterbrochene Folge von Scenen voll latenter Dramatik.
Der zeitlich nächste Versuch, in noch engerem Anschlüße an Kleist dieses Stoffes in dramatischer Form Herr zu werden, ist bisher völlig unbekannt geblieben. Er stammt von dem westphälischen Lyriker Adolf Schults (1820/58), der im August 1843 ein fünfaktiges Trauerspiel Michael Kohlhas schrieb (schon in dieser Titelfasssung, die auch bei fast allen späteren Bearbeitungen dieses Stoffes wiederkehrt, zeigt sich die