Heft 
(1916) 24
Seite
15
Einzelbild herunterladen

Michael-Kohlhas-Dramen.

15

hat seinem romantischen Trauerspiele Michael Kohlhas (1866) den Zusatz gegeben: nach H. v. Kleists Novelle frei bearbeitet. Auf den geschichtlichen Tatbestand wird kaum zurückgegriffen; in der Ausge­staltung des Stoffes wird geradezu willkürlich verfahren und auch dieses Stück weist etliche Anklänge an Isings Drama auf. Kleists Nainen sind in dem Versdrama beibehalten; daß ein Zigeunerweib in Kohlhasens Händen Feuer und Schwert gezeichnet sieht, begegnet hier zum ersten Male. Daß der Schloßvogt die Pferde als gestohlen verdächtigt, ist aus der geschichtlichen Quelle über Maltitz und Ising bis zu Schenk gekommen; neu ist, daß ihre Beschlagnahme ohne Beisein des Kohlhas erfolgt. Bei dessen bloßem Namen fährt der Junker den Knecht Herse an:

I)u hast den Frieden meiner Burg verletzt.

.Die Pferde sind

Mein Eigentum von nun an

Eine zurückgewiesene Tändelei des Junkers mit des Roßkamms Frau hat den Ritter erbost; im folgenden werden dann die Amtspersonen von Kursachsen und Kurbraudenburg bunt durcheinander geworfen. Verwässert ist jene schöne Scene Kleists, in der die sterbende Frau, der Sprache nicht mehr mächtig, mit den Fingern auf die Bibelstelle von der Vergebung der Feinde deutet: es entbehrt jeder Wirkung, wenn solche Handlungsweise auf eine kerngesunde Frau übertragen wird; aus Luther wird aus rein konfessionellen Gründen ein Propst von Wittenberg, dessen Abrechnung mit Kohlhas ganz auf Kleists Gedanken und Worte gestellt ist. Hier zeigt sich dann aber die Umbiegung des Stoffes ins Rührselige: der Kurfürst von Brandenburg schickt den Mordbrenner nur auf ein Jahr in Haft. Der letzte Akt spielt dann am Tage der Freilassung des Kohlhas; der Junker erscheint auch hier imKittel des Stallknechtes . . . alles scheint gut auslaufen zu sollen, Kohlhas schenkt, wie urspünglich geplant, die Rosse dem Landesherren, sein Grundstück den Armen, er selber will mit seiner Fraunach Süden, in das stille Schweizerland, um sich diekleinste Hütte dort zu kaufen (hier scheint sogar eine Episode aus dem Lebeu Kleists mit hinein zu spielen!), da kommt der Kurier des Kaisers mit der Botschaft, daß das Reichskammergericht den Landfriedensbrecher zum Tode verurteilt habe. So schwankt das Stück in den Motiven seiner Handlung hin und her und ist wegen des Anhäufens der Effekte lange Zeit hindurch ein Repertoirschauspiel kleinerer Bühnen gewesen. s )

8 ) Im Herbst 1886 erschien im Verlage von Otto Vieweg in Leipzig (jetzt in

Bautzenl als Heft (Band V, Nr. 13) der Neuen Bibliothek für das Deutsche Theater-

ausgewählt, herausgegeben und erläutert von Hermann Riotte, Direktor des Autoren- Vereines Deutsche Novitäten-Bühne in Leipzig das Romantische Trauerspiel in ö Akten Michael Kohlhas von Hermann Riotte; das außerordentlich seltene Stück, das in keiner deutschen Bibliothek vorhanden ist (laut Mitteilung der Auskunftsstelle) und