Heft 
(1916) 24
Seite
17
Einzelbild herunterladen

Michael-Kohlhas-Dramen.

17

die selbst vor der Übcruahme etlicher Anachronismen nichtzurückschouen, zeugen auch hier wieder von der überragenden Wucht und Gewalt des großen Vorbildes. 11 )

1896 trat an diesen Stoff Richard Zoozmauu mit den Erkenntnissen und Erfahrungen des Naturalismus heran und war anscheinend bemüht, in Hauptmanns Florian Geyer-Stil ihn zu bewältigen. So entstand ein Ritterdrama, wie der Götz oder das Kätchen von Heilbronn, welches über die Rechtsidee hinausgehendeine getreue Verfolgung des Auf- und Abflutens der Historie unter starkem Hervortreteu des Details erstrebt. Die Frische des Tones und die bunte Bewegtheit der Ereignisse läßt diese im Grunde völlig uutheatralische Historie die abstrakteren Rechts­tragödien der Vorgänger übertreffen; Zoozmann hat die geschichtliche Überlieferung mit Kleists Erzählung kombiniert, um sich kein brauchbares Motiv entgehen zu lassen. Völlig von Kleists Novelle emanzipierte sich (Jarl Weitbrecht in seiner Vers-Tragödie Schwarmgeister (1900), er projiziert das Ganze auf die Folgen der Bauernkriege, ohne aber in beträchtlicher poetischer Armut über eine nur brave geistige Freiheit hinauszukommen. Der Gegensatz zwischen Hans Kohlhas, der sein persönliches Recht durchsetzt, und Michael Kohlhas, der das Ideal des abstrakten Rechtes verteidigt, hätte hier zum Austrag kommen können; Weitbrecht läßt nur ganz unklar ahnen, daß sein Luther der in der .lugend wie Kohlhas Alles oder Nichts gewollt hat, wie bei Kleist völlig auf Seiten des Kohlhas steht. Weitbrecht trifft das Kostüm der Zeit besser als Kleist, was aber natürlich nur eine Nebensache ist; auch daß im Drama eine Wiedertäuferin den Kohlhas über seine persönlichen Ziele hinausführt, trägt nur dazu bei, den Konflikt und seine Darstellung zu verflachen. Es entspricht fast dem allzu konstruktiven Charakter dieser Tragödie, daß Weitbrechts Luther weitaus der beste ist, der jemals auf einer deutschen Bühne erschien mit alleiniger Ausnahme natürlich

ernüchternd . . . und doch: welche Kraft, welche Fülle der Gedanken, welche Gewalt der Charakteristik und der Leidenschaft wog alle diese Schwächen auf! ... ich beschloß sofort den Versuch zu machen, dem Werke die Gestalt zu geben, welche erforderlich schien, es zum Gemeingute der Kation zu machen (?); trotz Verwendung fast des ganzen Kohlhaas von Schenk war ein ganz neues Werk entstanden: der Kurfürst und der Probst, die Hauptgestalten des vermittelnden Gegenspieles, hatten hier nunmehr ihren notwendigen Platz und Einfluß gewonnen und auch die andern Akte traten so mannigfach verändert auf, daß ich meinen Namen vor dem Schenk's als Verfasser darauf setzen mußte. Riotte hat nicht nur dieselben handelnden Personen, wie sie sich bei Schenk finden, über­nommen, sondern er hat auch ganze Szenen aus seiner Vorlage in sein Stück cingefügt, ohne auch nur ein Wort daran zu ändern, manches andere hat er breiter und saftloser gestaltet, so daß seinem Stücke höchstens ein Kuriosität.enwert zukommt und es aus der Reihe der selbständigen Kohlhaas-Dramen ausscheidet.

9 ) Über Einzelheiten vgl. der Kürze halber E. Wolff a. a. 0. S. 896/7; ebenso wie über das nachfolgende Stück von Zoozmann.

2