Benjamin Ranle und Raules Hof.
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mit Eingang von der Unterwasserstraße, vier Stockwerke und vier Fassadenfenster. Ein stattlicher Baublock, jedoch ohne künstlicheres und historisches Interesse.
Aber an Ranles Hof haften doch noch andere geschichtliche Erinnerungen. Der berühmte Sanitätsrat I)r. Kurella, noch jetzt bekannt durch sein Brustpulver, kaufte das Grundstück 1774 für 11400 Taler und richtete hier ein bewundertes Naturalienkabinett mit großer Bücherei ein, ähnlich wie Raule bereits dort eine bedeutende ethnographische Sammlung von seinen exotischen Reisen zusammeugebracht hatte, deren Schätze vom Kurfürsten, selbst Sammler und Kenner, wiederholt besichtigt wurden.
Seine Blütezeit erlebte im 19. Jahrhundert das ganz weitläufige Anwesen unter dem Seidenfabrikanteu Johann Adolf Heese, der seit 1822 auf dem 1847 von ihm erkauften Grundstück ein Seidenwarengeschäft errichtete, das, als er 1862 starb, von seinen zwei Söhnen fortgesetzt wurde. Noch ist es in vieler Erinnerung, wie er selbst in Steglitz, nahe der nach der Seidenspinnerei genannten „Filandastraße“, Seidenwürmer züchtete und die Kokons verspann. Rektor Rother leitete diesen „naturwissenschaftlichen“ Teil mit großem Eifer. Die Selbstfabrikation vom Ei bis zum Kokon ward aber als nicht lohnend allmählich eingestellt, zumal die Raupen von einer Pilzkrankheit heimgesucht wurden. In der Glanzperiode, in den sechziger Jahren vorigen Jahrhunderts war das Seidenlager Raules Hof und Alte Leipziger Straße, wie ich mich persönlich erinnere, der Anziehungspunkt für die vielen vornehmen Russinnen, die Berlin besuchten und in ihrem hartklingenden „Petersburger“ Deutsch zu sagen pflegten: „Heit gehn wir bei Geese in in die Buden Seiden einkaufen!“ Allmählich hat sich der Geschmack geändert, vor allem die Gegend, in der allein große Seiden- und Modeugeschäfte sich halten können, und so ist das berühmte Kaufund Handelshaus vollständig eingegaugen. Im Adreßbuch findet man noch die Namen der letzten Besitzer als Heesesche Erben verzeichnet.
Das der Fiskus als Käufer überhaupt schon an sich wenig geneigt sein wird, die Häuser ganz oder teilweise zu erhalten, ist begreiflich, aber auch verzeihlich, denn von wirklich alten Baulichkeiten, die der Erhaltung würdig wären, ist beim besten geschichts- und kunstkouser- vatorischen Eifer nichts mehr vorhanden. Die ganze Gegend würde den Abbruch des unschönen Gemäuer als eine Erlösung betrachten. Alsdann wird auch hier neues Leben für den alten kurfürstlichen Friedrichs-Werder in wenigen Jahren aus den Ruinen erblühen.
Die Bürgerhäuser bestanden auf dem Friedrichs-Werder zumeist aus zwei Stockwerken mit Putzverblendung, die häufig den Holzverband maskierte. Hierauf stand der noch heute so genannte holländische Giebel mit zwei Fenstern, darüber lag unter der Dachspitze hier und da noch