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Prof. Dr. Konrail Haobler.
ausführte. Für die beiden ersterwähnten Arten des Textes pflegten sich die alten Drucker zwei stilverwandte Typen verschiedener Größen zu schaffen, die auf denselben Kegel gegossen wurden. Man hat sich gewöhnt, das gekuppelte Typen zu nennen. Auch Johannes Hanaw hat diesen Anforderungen zu entsprechen gesucht, das Ergebnis ist aber kein vollkommen befriedigendes geworden.
Der doppelfarbige Druck wurde so hergestellt, daß jedes Blatt zwei Mal unter die Presse kam; zuerst wurden die schwarz zu druckenden Teile abgedeckt und nur die roten Stellen eingefärbt, und wenn diese gedruckt waren, wurde dann umgekehrt mit der schwarzen Farbe verfahren. Das Kunststück war, bei dem zweimaligen Druck den Papierbogen so genau in die gleiche Lage zu bringen, daß die schwarzen und roten Zeilen und Worte genau neben und über einander standen. Im allgemeinen muß man zugeben, daß Hans Hanaw dieser Aufgabe sich recht gut gewachsen zeigt; nur auf vereinzelten Bogen steht der Rotdruck zu hoch oder zu tief. Dagegen sind offenbar seine Farben, rot sowohl als schwarz, von ziemlich schlechter Beschaffenheit gewesen. Der Rotdruck kleckst fast auf jeder Seite, aber auch der Schwarzdruck ist meist weder scharf noch sauber. Vermutlich trägt an dem minderwertigen Aussehen des Druckes auch die Beschaffenheit des Papieres einen Teil der Schuld. Es ist zwar noch immer ein ziemlich kräftiges Papier mit deutlich erkennbaren Schöpf linien und Wasserzeichen (Herz), es ist aber fast immer in der ganzen Ausdehnung des Satzspiegels nachgedunkelt, und hat auch im ganzen viel stärker unter der Einwirkung derZeit gelitten, als die trefflichen alten Papiersorten der Wiegendrucke.
Ganz besonders unglücklich ist der Drucker gewesen in der Wahl seiner Schriftarten. Die größere Type ahmt die Schriften des Heinrich Gran in Hagenau, des Anton Koberger in Nürnberg u. a. nach, die an Lyoner Formen erinnern. Unglücklicherweise ist aber Hanaw auf die Idee verfallen, als kleinere Breviertype eine Antiqua-Schrift zu verwenden. Diese enge Verbindung von gotischer und Antiqua-Schrift wirkt so befremdend und macht einen so sonderbaren Eindruck, daß sie auch dann die Wirkung des Seitenbildes stark beeinträchtigen würde, wenn es nicht durch die mangelhafte Einfärbung schon so sehr unerfreulich gestaltet wäre. Eine dritte kleine gotische Schriftart kommt noch an verschiedenen Stellen vor, wo es galt, in tabellarischen Übersichten möglichst Raum zu sparen. Dagegen fehlt eine größere Auszeichnungsschrift, und das Viaticum scheint, für seine Zeit schon eine Seltenheit, kein Titelblatt besessen zu haben. Ebenso wenig besitzt es xylogra- phischen Schmuck; nur zwei Sorten von wenig schönen Lombard-Majuskeln werden als Initialbuchstaben verwendet.
Das Viaticum zeigt, daß die Druckerei, aus der es hervorgegangen ist, bereits aufgehört hatte, den Buchdruck als eine Kunst zu behandeln,