Heft 
(2017) 24
Seite
120
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120 Otis 24(2017) Blick über den Rabensteiner Wald zu genießen. Der Ausblick ins Umland war nun plötzlich uninteres­sant. Die Bestimmung desSperlings als Alpen­braunelle gelang mir problemlos, obwohl dies mein erster Kontakt mit dieser Art war. Meine Freundin hatte nun deutlich mehr Zeit, sich die Burg Raben­stein genauer anzuschauen. Nach etwa 30 Minuten Beobachtungszeit und vielen Fotos ging es zufrieden und gemeinsam wieder zurück nach Berlin. Die Alpenbraunelle bewegte sich während der gesamten Zeit auf dem Turm nur hüpfend auf dem Substrat, pickte im steinigen Kies gelegent­lich nach Nahrung und zeigte keine Flugaktivität. Der Vogel wirkte nicht erschöpft oder entkräftet, sondern zeigte meines Erachtens normale Vitali­tät und wenig Scheu. Vermutlich lässt die Alpen­braunelle Beobachter im alpinen Habitat nicht so nah heran. Der Turm-Rundgang erinnert mich an eine Insel-Situation wie z.B. auf Helgoland, wo vie­le Vögel ja auch geringe Fluchtdistanz zeigen. Der Abstand zwischen mir und dem Tier betrug durch­schnittlich zwei Meter. Andere Vögel waren nicht anwesend. Das Wetter war beobachtungsfreund­lich. Teilweise schien die Sonne durch bewölkten Himmel; es gab keine Niederschläge; der Wind weht schwach bis mäßig. In alpinen Lebensräumen hat­te ich schon oft erfolglos nach dieser Art Ausschau gehalten. Welche Ironie, sie nun ausgerechnet hier im flachen Brandenburg zu finden. Noch größer war meine Freude, als ich von der örtlichen Selten­heitenkommission erfuhr, dass dies der erste Nach­weis der Art für dieses Bundesland ist. (AM) Diskussion Der Fundort auf der Burg Rabenstein(12°3532 E; 52°0206 N) befindet sich auf 145 m ü. NN. Nörd­lich davon liegt der Ort Raben mit dem Sitz des Naturparkzentrums Hoher Fläming. Der Bergfried (Rundturm) ist 25 m hoch und weist einen Durch­messer von 12 m auf. Die Burg Rabenstein wurde im 12. Jahrhundert auf einem Bergsporn mit steil ab­fallenden Hängen errichtet. Mehrere andere Burgen (teilweise mit ähnlichen Bergfrieden) befinden sich im Abstand von wenigen Kilometern, etwa in Wie­senburg und Belzig(D. Lenz; B urgenarchiv 2017). Der Bewuchs des Berghangs wird durch Rotbu­chen geprägt, Kiefernforste schließen sich an. Die Vegetation des Rabenstein-Bergfrieds ist überwie­gend sukkulent und somit angepasst an die geringe Humus- und Grundwasserverfügbarkeit bei starker Sonneneinstrahlung: Dickblattgewächse und Stein­brechartige( Sedum , Saxifraga) wie auch diverse Moose und Habichtskraut( Hieracium ). Der Unter­grund aus gemahlenem Schutt und Ziegelschlacke erinnert an das natürlich an Berghängen vorkom­mende Geröll, so dass die Alpenbraunelle sich sehr heimisch gefühlt haben dürfte. Das Mikrohabitat dürfte aufgrund der Disposition eine hohe Diversität und Individuendichte an Arachniden, der Haupt­nahrung von Alpenbraunellen im alpinen Habitat ( G edeon et al. 2014) aufweisen. Die äolische Driftung von Spinnen(Luftschiffen) und die Ansiedlung der überlebenden Jungtiere an geeigneten Stand­orten(Felsen, Türme, Inseln im Meer) ist eine gut bekannte Ausbreitungsstrategie dieser Tiergruppe, insbesondere von Vertretern der Baldachinspinnen ( B ellmann 1992). Der Zeitpunkt des Fundes am 9.11.2015 liegt deutlich vor einem bemerkenswert gehäuften Auf­treten im außeralpinen Raum im nachfolgenden Frühjahr 2016( H allfarth et al. 2016, S tübing 2016). Erst fünf Monate später fand ein Einflug bisher un­gekannten Ausmaßes mit Alpenbraunellen sowie auch Schneesperlingen( S tübing 2016) in das Bun­desgebiet statt. Damit in Zusammenhang steht wohl auch der überraschende, in diesem Heft ebenfalls dokumentierte Erstnachweis eines Schneesperlings im märkischen Tiefland( S chonert 2017). Die Dokumentation der 2016er Nachweise in Sachsen( H allfarth et al. 2016) fasst umfänglich die Phänologie der Alpenbraunelle aus über 120 Jahren zusammen, vor allem aus der Sicht desEr­wartungsgebiets Sachsen, für die letzten 30 Jahre auch mit Blick auf Sachsen-Anhalt, insbesondere den Brocken im Harz. Demnach fanden west- und nordwärts gewandte Wanderungen über das ei­gentliche Areal zumindest gelegentlich, insgesamt zunehmend statt( G lutz v . B lotzheim & B auer 2015 fide H allfarth et al. 2016). Das von der Burg Ra­benstein im Fläming nächstgelegene Mittelgebirge Harz mit dem subalpin geprägten Brockenplateau (1.141 m ü. NN) liegt etwa 150 km Luftlinie ent-