Heft 
(2018) 25
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106 Otis 25(2018) Ob es vor 200 Jahren und früher Bruten des Rau­fußkauzes in den Kiefern-Traubeneichen-Misch­wäldern der Niederlausitz gab und diese übersehen wurden, lässt sich nur mit Hilfe von Indizien erhel­len. Denkbar ist, dass die Art erst Fuß fasste, nach­dem die bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts auf den Hochlagen der Niederlausitz weit verbreiteten eichendominierten Wälder( I llig 1979, 1980) nach und nach in Kiefernforste umgewandelt wurden. Zu einer großräumigen Auslöschung der naturna­hen Traubeneichen-Kiefernwälder kam es hier aber erst infolge des Zweiten Weltkrieges. Zunächst wü­teten zu Kriegsende riesige Waldbrände. Was diese übrig ließen, fiel ausgedehnten Reparationshieben zum Opfer( M öckel et al. 1999). Wieder aufgeforstet wurde allein mit der Kiefer. Die monotonen Forste waren nun viel nahrungsärmer, während die dicht stehenden Stämme in den Kiefernkulturen und -stangenhölzern dem Waldkauz die Jagd erschwer­ten. Er ver­schwand weitgehend aus dem Innern der Hochflächenwälder. Damit hätte – wie schon von G atter (2004) und S cherzinger (2004) formuliert – im Süden Brandenburgs die forstliche Begründung von Nadelwäldern in klimatisch milder Lage auf den Standorten ehemaliger Laubmischwälder die Ausbreitung des an raue Bergwälder angepassten Raufußkauzes vom boreo-alpinen Faunentyp be­günstigt. Dafür spricht sein weitgehendes Fehlen in den vom Waldkauz besiedelten Wäldern(G lutz von B lotzheim & B auer 1980). Obwohl eine Erbeutung des Raufußkauzes nur selten belegt wurde( M ikkola 1976, H erder 1987), kann allein die Anwesenheit des Wald­kauzes ein Brüten der kleineren Art unterbinden(für das Westerzgebirge s. M öckel 1983, 1992). Den ge­ringsten Abstand zwischen zwei erfolgreichen Bruten von Wald- und Raufußkauz beziffern E rnst & T hoss (1985) im Vogtland auf 30 m. Dies ist jedoch eine Ausnahme. Im Westharz brüteten beide Eulenarten nur 1984 – in einem Gradationsjahr von Wühlmäu­sen Microtidae  – eng beieinander( S chwerdtfeger 1993). Ein lokaler räumlicher Ausschluss wurde auch im Solling(Raufußkauz meist über, Waldkauz über­wiegend unter 350 m ü. Meer, K elm 1987), in der Lü­neburger Heide( L ocker & F lügge 1998), im Südharz ( W agner & J entzsch 2000), in Franken( M eyer et al. 1998), im Schwarzwald( J örlitschka 1988) und in der Dresdner Heide( F abian 2010) festgestellt. Dies deckt sich mit dem Fehlen des Raufußkau­zes in den größeren, vom Waldkauz dominierten Traubeneichen-Althölzern der Niederlausitz. Damit könnte die frühere Häufigkeit des letzteren in den nahrungsreichen, von Traubeneichen und Rotbu­chen dominierten Wäldern die einstige Seltenheit des Raufußkauzes im norddeutschen Tiefland erklären. Mit dem Verdrängen des Feindes und Konkurrenten aus den immer mehr von Kiefern be­herrschten, kleinsäugerarmen Forsten( S cherzinger 2004, O lejnik 2010) nahm die kleinere Eule in den 1960er/1970er Jahren zu, eine Entwicklung die zu­nächst übersehen wurde. Die frühen Hinweise auf ein Brüten des Raufuß­kauzes um Berlin( S chalow 1919), der Fund einer Rupfung am 03.06.1972 nördlich von Berlin( J an ­der 1977), der Fang eines Altvogels am 05.05.1979 in Berlin-Wuhlheide( R eckin 1987) sowie rufende Männchen im März 1967 bei Berlin und im Februar/ März 1977 bei Forst/Lausitz( R utschke 1983), können aus heutiger Sicht als Hinweise gelten, dass der Rau­fußkauz schon vor seiner Entdeckung in den 1980er Jahren in Brandenburg gebrütet hat. Offenbar war er früher viel seltener als heute. Jahrzehntelang fehlte er möglicherweise ganz, denn in der umfangreichen Sammlung von Vogelbälgen Udo Bährmanns befindet sich kein Beleg( E ck 1982–1985). Der bekannte Orni­thologe(gestorben 1979) lebte die meiste Zeit seines Lebens in Lauchhammer und damit im Untersu­chungsgebiet. Er jagte selbst und hatte gute Kontakte zu weiteren Jägern( N eumann et al. 2010). Ob sich die Erwähnung der Art in zwei Geschichten von Erwin S trittmatter im 1966 erschienenenSchulzenhofer Kramkalender tatsächlich auf den Raufußkauz be­zieht, lässt sich nicht mehr klären(Schulzenhof: Orts­teil von Stechlin im Ruppiner Land). Da die Ablösung abwechslungsreicher Misch­wälder durch monotone Nadelforste in den letzten 200 Jahren fast überall in Deutschland zu verzeich­nen war, begünstigte sie – möglicherweise gekoppelt an eine Zunahme der Art in den Gebirgen( M ebs et al. 1997) – die Ausbreitung der kleinen Eule bis ins Tiefland( G atter 2004, S cherzinger 2004). Bereits zehn Jahre nach den ersten Brutbelegen in Branden­burg standen in Ostdeutschland 86 – 102 besiedelten Gitterfeldern(Messtischblättern) in Mittelgebirgen 39 – 54 im Tiefland(< 250 m ü. NN) gegenüber. Be­zogen auf die mittlere Zahl besetzter Reviere waren