Heft 
(1893) 2
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Über Fastnachtsfjebriiuche unter Berücksichtigung der Provinz.

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wenn auch nur zwei Feste vorbildlich gewesen. Das Mittwinternachts­fest, bekannter als das nordische Julfest, ist das eine, es ward in Nord­deutschland im Anfang Januar gefeiert und galt bisher meist als das Fest der wiederkehrenden Sonne. Neuere Forscher haben mit Recht wohl dagegen eingewandt, dass es eine wenig gut gewählte Zeit sei, eine solche Feier abzuhalten, wenn rings noch die Natur völlig ab­gestorben sei, sie erklären es als ein grosses germanisches Totenfest. Geopfert sei den Geistern der Abgeschiedenen besonders um der Frucht­barkeit willen, denn die Seelen der Toten üben eine Macht darüber aus, nach und nach wurden die Opfer auch auf die Götter, denen man eine Einwirkung auf die Ernte zuschrieb, ausgedehnt und schliesslich auch auf die anderen IIimmeisgewaltigen übertragen. Einen Monat später, etwa im Februar, wenn die Einwirkung der Sonne merklich wurde, einen festen Zeitpunkt gab es nicht, feierten die Germanen ein zweites Fest, das Fest des beginnenden Frühlings.

Die Gebräuche dieser germanischen Feste, auch die des Sommers und Herbstes, ähneln einander alle bis zu einem gewissen Grade, wenn wir ihre Reste im heutigen Volksleben, die wir noch zu erkennen glauben, prüfen. Die Erscheinungen, die wir in einzelnen Gegenden im Frühling beobachten, bieten uns andere Gegenden in ähnlicher Weise im Sommer oder Winter. Zumeist beruhen diese ähnlichen Bräuche offenbar darauf, dass die alten germanisdien Feste einen mehr oder minder gleichen Charakter trugen, was bei einem Volke mit einfachen Daseinsbedingungen wohl natürlich ist. Selbst die Vermummungen, die uns so charakteristisch für den Karneval gelten, finden sich in anderen Gegenden beispielsweise im Herbste.

Die Gebräuche des Mittwinternachtsfestes haben sich zum Teil im Weihnachtsfest, zum Teil in den Gebräuchen der zwölf Nächte, zum Teil in den Fastnachtsgewohnheiten erhalten; und in den verschiedenen Gegen«len ist diese Aufteilung nicht völlig gleichmässig vollzogen. Übei­den Hergang bei dieser Feier sind wir bei den Westgermanen in älteren Quellen nicht unterrichtet. Bei den Ostgermanen, den Skandinaviern, leitete ein feierliches Opfer das dreitägige Fest ein. Dann fanden auf den Höften Gelage statt, zu denen die Teilnehmer einen Satz beisteuerten, keiner ward ausgeschlossen. Im Freien wurden manche Freudenbezeu­gungen abgegeben, man lief, man zündete Feuer an und pflanzte immer­grüne Fichten auf. ln der Halle brannte ein mächtiger Klotz, da gab es Rätsellieder, Festspiele, die Gerichte waren Hafergrütze und geringe, auch der Juleber ward gegessen, und der Julkuchen gebacken. Es war eine Zeit der Gesichte, man konnte die Zukunft erfahren. Ähnlich müssen auch auf dem Kontingente die Verhältnisse gewesen sein, ob­gleich es im Allgemeinen ja unstatthaft ist ost- und westgermanische Mythologie zu mischen. Das Frühlingsfest spielte sich ähnlich ab. Aus

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