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Kleine Mitteilungen.
seltenen Wasserpflanze, des e Alisma parnassifoliu m, von keinem der jetzt L benden mehr gesehen, Umschau hielte.
Am Tegeler See ist der Pfiff der Schildkröte noch nicht giinzlich verstummt, aber es bedarf häufiger Anwesenheit, eines feinen Ohrs und vor Allem einer glücklichen Stunde, um ihn ausnahmsweis einmal zu vernehmen. Meines Wissens ist in dortiger Gegend das letzte Stück dieser Amphibie im Spätherbst 1887 im lladerloch zwischen Scharfenberg und Baumwerder erbeutet worden.*) Nach jungen Tieren habe ich mich bis jetzt vergebens umgesehen; die wenigen Gefangenen, die ich sah, waren stets alte.
Wie weit sind wir doch von jener Epoche entfernt, wo man aus den Bruchdörfern um Wriezen die Schildkröten wagenweis wegführ, jedenfalls um sie als Speise zu benutzen. Alte Küchcnrechnungcn und Menus aus dem Hofhalt des grossen Kurfürsten thun ihrer noch kulinarisch Erwähnung. Dem Tisch des märkischen Landmanns sind sie wohl seit dem Wechsel der Konfession und seitdem es Fastenspeisen als obligatorisch nicht mehr gab, fremd geworden, so dass Übermässiger Verbrauch als Grund des Verschwindens durchaus nicht anzunchmen ist,
Zur Stunde bekommen wir die zierlichen kleinen Wasserschildkröten, mit denen man die Aquarien zu bevölkern liebt, aus den venetianischen Gewässern. Und doch ist dies buchstäblich dieselbe Emys europaea wie die unsrige, aus eigenem Gebiet nicht mehr zu beschatten.
Die Alten wissen vom Tode des grossen Tragikers Aschylos zu berichten, dass in Sicilien ein Adler ihn verursachte, indem er aus der Höhe eine Schildkröte auf das glattglänzende Haupt des im Freien eingeschlafenen Dichters, das er für einen Stein halten mochte, niederfallen Hess. Adler und Schildkröte sind, hier zu Lande wenigstens, weitaus zu seltene Tiere geworden, um eine dachlos abgehaltene Siesta einem unserer Dichter, des geistiges Schaffen etwa den Haarwuchs gelichtet haben sollte, aus analogem Grunde gefahrbringend erscheinen zu lassen.
Zum Schluss sagen wir von unserer Schildkröte:
Also auch solch ein Faunenglied, das sacht und sachter verschwindet; auch solch ein, trotz seiner Pachydermenschale, mit nervöser Empfindlichkeit so durchsättigtes Urwesen, das sich der nüchternen Helligkeit unserer Kulturhochflut abhold zeigt; auch solch ein Märchentier, das des goldige,n Lichtschimmers der Komantik früherer Tage bedurfte, um hier zu leben und zu gedeihen.
In weiteren hundert Jahren wird der Frosch, den wir den grünen Jäger nennen, voraussichtlich zur hohen Jagd gehören. Die Schildkröte aber — nun die wird gänzlich verschollen sein und vielleicht mag es dann sogar Gelehrte geben, die an ihrem früheren Indigenat zweifeln werden.
Berlin, 19. Dezember 1892.
Unsere Wasserschildkröte. In den zahlreichen kleinen Seen des Kreises Königsberg (Neumark) fand sich noch in dem Jahre 18fifi diese Schildkröte sehr häufig. Sie war dazumal ein beliebtes Kinderspielzeug,
*) Ein gleicher Fang hat sich 1892 in denselben Gewässern erneuert und ist durch Herrn Julius Kosewski, zu Tegelort wohnhaft, gemacht worden.