Heft 
(1893) 2
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Die Lutchen der Niederlausitz.

Altertum, und wir linden es noch heute hei Naturvölkern, dass z. B., wenn eine Sonnen- oder Mondfinsternis eintrat, inan glaubte, Ungeheuer oder Drachen wollten die Gestirne verschlingen, und dass man dann, wie wir ja noch zu sagen pflegen, freilich auch in andrem Sinne, einen Heidenlärm machte, um die Ungetüme zu verjagen. Ein solcher Vorfall wird noch berichtet aus der späteren römischen Zeit in den Annalen des Tacitus. Es war nach dem Regierungsantritt des Kaiser Tiberius, als die pannonischen Regionen sich empörten. Während des Aufruhrs trat eine Mondfinsternis ein. Da machten die römischen Legionsoldaten, wie Tacitus sagt, Lärm mit Erzesklang und mit Hörner­und Troinpetenschall, indem sie, wie ich hinzufüge, dem alten Brauche folgten. Dahin rechne ich auch das Wetterläuten römisch-katholischer Kirchen, wie man es noch heute bei Gewittern im Gebirge z. B. in Oberbayern überall hören kann. Wenn es sich auch jetzt um einen rein christlichen Brauch handelt, so ist klar, dass diesem Brauch dereinst die Anschauung zu Grunde gelegen hat, dass man durch den Klang des geweihten Erzes die bösen und feindlichen Geister des Wetters verjagen und bannen könne. Noch heute gelten manche Pfarrer, deren Dörfer durch Unheil vom Gewitter verschont blieben, als besondere Wetterbanner und sind ihren Gemeinden darum nur um so lieber und werter. Noch in den letzten .lahren hörte ich auf der Ostsee vom Schiffvolk, dass Leute einen Klabautermann, die mit den Zwergen verwandt sind, nicht los­werden konnten. Da erklärte ein Trommler in Danzig, er wolle ihn verjagen, schlug kräftig seine Trommel und sogleich war der Klabauter­mann verschwunden.

Was die Sprache der Lutchen anbetrifft, so hat man versucht, sie zu verwerten, um das Volkstum der Lutchen zu bestimmen. Das ist aber unzulässig. Nach meiner Ansicht dürfte die Sprache der Lutchen Geister­sprache sein. Unser jetziges Wort quer heisst mittelhochdeutsch twer, und der Zwerg ebenso Twerr, wie sie noch Twerge heissen im Österreichischen, die z. B. bei Villach in ihren Twergenlöchern hausen, und im Oberbergischen am Rhein ein verkehrter Mensch Zwersch. In Mitteldeutschland, einem Teile von Thüringen, heissen die Zwerge Querxe, ebenso Querxe auch in der Oberlausitz, in Schlesien und in Böhmen. Dieselbe Lautfolge finden wir noch bei einzelnen Worten in der Nieder­lausitz. So heisst die bekannte Käsemasse, die in Ostpreussen Glumse, am Rhein als Klatschkäse in gewisser Zubereitung Makei, in Süddeutsch­land Topfen genannt wird, lausitz-serbisch twarog, und deutsch, wie auch weiterhin in Norddeutschland, Quark, aber auch Zwarch. Ebenso hörte ich den Quersack Zwarchsack nennen. Bekannt ist, dass das Zwerchfell in unsrem Körper nicht nach den Zwergen so heisst, sondern weil es quer vorliegt. Wie so im Namen die Zwerge als quere, ver­kehrte Wesen bezeichnet werden, dürfte auch ihre Sprache ihrer An-