Die Lutchen der Niederlausitz.
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schauungsweise Ausdruck gehen. Ich könnte Sprachproben andrer Niederlausitzer Geister anführen, in denen das Verkehrte klar zuin Ausdruck kommt, wenn es nicht zu weit führte. Natürlich muss man dabei von Ausserlichkeiten absehen, wie etwa wenn jemand bei einer klugen Frau war und Hess sich ein Übel besprechen und muss dann auf dem Rückwege in sein Dorf über eine Brücke und ein fliessendes Wasser, dass dann die Vorschrift ist, dass er rückwärts, also verkehrt, über die Brücke gehen soll. Hier scheint der Sinn klar zu liegen, es soll die Krankheit, die er abgelegt, ihm nicht naehfolgen, nicht hinter ihm nach- kommen, was sie nicht kann, wenn er ihr nicht den Rücken zuwendet, zumal an einem fliessenden Wasser. Noch heute heissen Hofhunde „Wasser“ in der Niederlausitz, aber auch sonst in Norddeutschland, und auch bei den Wenden deutsch so, weil Wasser keine Hexerei was an- liaben kann, Wasser nimmt alles mit fort. Bei den vielhundertfachen Mitteilungen, die mir im Volke über die Lutchen gemacht wurden, hatte ich auch Gelegenheit, die Urteile des Volkes über die Lutchenspraehe kennen zu lernen, wie ich sie kurzgefasst in meinen „Wendischen Sagen“ niedergelegt habe, und das Volk bezeichnete jene als verkehrt. Vergleichende Untersuchungen werden auch hier volle Sicherheit schaffen.
Als Erdgeister gleichen die Lutchen durchaus den deutschen Zwergen. Nur einen wesentlichen Unterschied zwischen beiden w 7 ill ich hervorlieben. Während nämlich die Zwerge Kinder in den Wiegen vertauschen und den Wechselbalg unterschieben, tliun dies die Lutchen niemals, soweit meine eigne Erfahrung unter der serbischsprechenden Bevölkerung reicht, ln der Lausitz schiebt den Wechselbalg unter der böse Geist, oder der Teufel, der cart. Auch scheint die prezpoldnica, die Mittagfrau, ihre Hand dabei im Spiele zu haben. Überhaupt erscheinen die Lutchen menschlicher. Die Neigung für Gesang und Spiel, ebenso wie die Zauberei treten bei ihnen zurück, die wir hervortreten sehen bei den deutschen Zwergen und den nordischen.
Zweitens hat man die Lutchen aufzufassen als die Toten, als die Verstorbenen, und zwar als die Toten im Allgemeinen. Auf unzähligen alten vorgeschichtlichen Friedhöfen mit Brandgräbern haben nach der Überlieferung des Volkes die Lutchen gehaust und gewohnt und da bis auf unsre Tage ihr Geschirr, im besondern ihr Kochgeschirr hinterlassen. Das Volk selbst bezeichnet sie also als die Toten, die da ruhten und noch ruhen zum ewigen Schlaf. Auf dem Bramoer Schlossberg, einem alten Burgwall fand ich die Nachricht, dass die Lutchen in der Dämmerung in die Stube gekommen seien, sich auf die Ofenbank gesetzt hätten, um sich da zu wärmen und dann gestorben seien, geschwind haufenweise. Aus der Überlieferung der Niederlausitz, soweit mir bekannt, wäre dieser denkwürdige Bericht nicht zu erklären. Doch kann ich aus Ostpreussen beibringen, auf Grund eigner Nachforschung