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Die Lutclien «1er Niederlausitz.
aus Volksmunde, dass die Leute auf dem Lande früher, vielleicht, noch jetzt, in der Sylvesternacht, wenn sie die üblichen Spiele gespielt hatten, und die Stuhe sauber und rein gemacht war, alles in Ordnung gebracht, namentlich von der Ofenbank alles weggenommen, dann sangen und beteten, und sich zu Bette legten und die (leister, die loten, erwarteten, die, wie man sagte, zu Besuch kamen, um sich zu wärmen an der Ofenbank. Man fegte auch im Kamin oder Schornstein die Asche zu einem Haufen zusammen, damit sich die (leister daran wärmen konnten, und streute Sand auf die Ofenbank, um ihre Spuren zu sehen. Deslmll) machten lose junge Leute sich den Spass und traten mit dem i'uss in die Asche. Es feiern also die Toten am »Schluss des Jahres eine Art Totenfest. Und wie sie kommen, sich an der Ofenbank zu erwärmen, so auch die Lutclien und wie sie mit dem letzten Schlage des alten Jahres haufenweise wieder in ihre Grüfte fahren, so sind auch die Lutclien haufenweise verschwunden.
An manchen solcher alten vorgeschichtlichen Friedhöfe scheucht es und spukt es, und es gehen von da Geister und Gespenster aus, um den Lebenden sich zu beweisen und sie zu erschrecken, grade wie auch von christlichen Kirchhöfen und von jüdischen Friedhöfen. So jagt z. B. am jüdischen Friedhof bei Friesack die wilde Jagd vorbei. Diese Geister und Gespenster sind die Toten, die im Grabe keine Ruhe haben. Ich sehe überhaupt drei Gründe, warum der Tote im Grabe keine Ruin* hat nach dem alten Volksglauben.
Erstens nämlich, wenn der Mensch nicht beerdigt worden ist genau nach den Vorschriften seiner engeren Glaubensgemeinschaft, wie man mit einem Fremdwort zu sagen pflegt: nach dem Ritus, oder ihm vor seinem II inscheiden nicht gewisse lliilfs- oder Schutzmittel seines Glaubens zu teil wurden; Schutzmittel, die ihn bewahren vor Ungemach und Gefahren, die der Tote zu überwinden hat auf der einsamen Reise ins Jenseits, und i Hilfsmittel, die ihm neben andrem ein Vorrecht verschaffen au den Freuden des ewigen Daseins, von dem die Ungläubigen ausgeschlossen sind. So werden noch heute in der Xiederlausitz, wie auch anderwärts, Selbstmörder auf den Kirchhöfen beerdigt seitab von den Gläubigen 1 ), früher auf den Dorfgängen eingescharrt. Sie haben
1) Wie sorgfältig nach gewissen Vorschriften man dabei verfährt, zeigt die Mitteilung einer Berliner Zeitung (Berl. Neuest. Nachrichten. 1H92): „Köslin, :». August. In dem Dorfe Bietziker, zwischen Koriin und Köslin liegend, findet noch die alte Sitte statt, dass ein Selbstmörder nur nach Sonnenuntergang oder vor Sonnenaufgang auf einem Dungwagen zu Grabe geführt werden darf. Ein solches Begräbnis fand am Sonntag Abend um 9 Uhr statt. Die Leiche des Chausseeaufsehers Bunde, welcher sich am 20. v. Mts. erhängt hatte, wurde auf einem Dungwagen zum Kirchhof gebracht; alle Kirchhofsthiiren waren geschlossen; die Leiche wurde über die Kirchhofsmauer transportiert, und die Leichenträger mussten, nach der „Ztg. f. K.“, ebenfalls die Reise über die Mauer antreten, um den Sarg in die Gruft zu senken.“