Die Lutchen der Niederlausitz.
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mation, wo die römisch-katholische Kirche die allein herrschende in der Niederlausitz war, denn ich habe wiederholentlich gefunden, da ich selbst gesammelt, habe im Volk und mir nicht Nachrichten zutragen lassen durch andere, dass die jetzigen oder vielmehr die damaligen evangelischen Christen der Niederlausitz, — denn die Alten, Kundigen, sind in der Zwischenzeit meist alle verstorben —, gewisse Sitten der römisch- katholischen Kirche für heidnische hielten und als heidnische erklärten, eben aus Unbekanntschaft mit den Gebräuchen der römisch-katholischen Kirche, von denen ihnen die Voreltern berichtet hatten als Gebräuchen der alten Zeit. Es ist ja noch heute die schöne Sitte in der römisch- katholischen Kirche, dass man unter Umständen an Bäumen sich Stätten der Gottes Verehrung schafft, in „Gottes freier Natur“. Es ist aber auch geschichtlich bekannt, dass die alten Slaven, namentlich aber die noch älteren Bewohner Deutschlands, die Germanen, an alten und ehrwürdigen bäumen Stätten ihrer Gottesverehrung hatten, wie schon Taeitus 1 ) von ihnen sagt, dass sie ihre Götter „nicht in Mauern einsperrten“, wie nämlich die griechischen und römischen Heiden es timten.
Fünftens aber hat. man die Latchen aufzufassen als ein untergegangenes Volk oder als untergegangene Völker. Das Volk selbst bezeichnet sie als ein solches, nämlich als die Eingebornen vor diesen, d. h. vor der jetzige]) wendischen Bevölkerung, und das waren die Germanen. Thatsächlich sind sie aber auch in diesem Sinne das untergegangene Volk oder die untergegangenen Völker, deren Tote in den vorgeschichtlichen Friedhöfen mit Brandgräbern (Feuerbestattung) ruhten und noch ruhen, und die uns in ihren Grabbeigaben Zeugnisse ihres häuslichen Fleisses hinterlassen haben, Denkmale, die ein Licht werfen auf die Kulturentwicklung jener grauen Vorzeit, von der uns kein Geschichtsbuch meldet. Diese Friedhöfe gehören aber zumeist, Jahrhunderte hindurch, den Germanen an, wie uns die Wissenschaft lehrt. Es sind deshalb in diesem Sinne die Lutchen die alten Germanen. Wo es sich aber um Brandgräber der Slaven oder anderer Volksangehörigen handelt oder handeln sollte, wären sie dann im entsprechenden Sinne zu betrachten. Doch ist von slavisehen Brandgräbern in der Niederlausitz wenig bekannt.
Ich erwähnte bereits, dass man versucht hat, die Sprache der Lutchen zu verwerten, um danach das Volkstum derselben zu bestimmen. Man wollte in ihnen die alten Slaven erkennen. Dieser Schluss ist aber irrtümlich. Die jetzige slavisch sprechende, sogenannte wendische Bevölkerung der Niederlausitz, die offenbar zu einem Bruchteile aus alten Slaven besteht, und die in ihrer Überlieferung und in ihrer Anschauungsweise gewisse slawische Bestandteile aufzmveisen hat, und in ihrer Ge-
1) Germania. IX : ceterum nec cohibere parietibus deos.