Heft 
(1893) 2
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Die geologische Wand im Humboldthain zu Berlin.

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diesem Gebiete nach Möglichkeit ausweicht, da er bei der beschränkten Zeit unmöglich rechnen kann, bis zu einem gewissen Verständnis bei den Schülern durchzudringen, denn ein solches ist ohne Ausführlichkeit und methodische Behandlung nicht zu erreichen. Die gelegentlichen Bemerkungen, welche über Granit und Basalt, oder über die Ver­gletscherung der Norddeutschen Tiefebene gemacht werden, sind im günstigsten Falle ein Paar Worte mehr, welche behalten sind, wenn dies überhaupt noch geschieht. Obgleich nun viele Schulen ausgedehnte Mineralien-, Gesteins- und selbst Petrefakten-Sammlungen besitzen, so ist doch die Verwendung nur eine beschränkte.

Indessen trifft die Schuld nicht die Lehrpläne allein. Die Ursachen liegen tiefer. Die Geologie ist die jüngste unter den beschreibenden Naturwissenschaften, und sie hat erst in der letzten Zeit einige wichtigere Theorien fest begründet. Deshalb ist es nicht zu verwundern, wenn sie für die Schule nicht in ihrem ganzen Umfange verwertet wird. Hierfür muss sie überhaupt erst eine Methode schaffen und vor allen Dingen erst weitere Kreise für sich gewinnen. Beides erreicht sie aber nur durch populäre Darstellungen, wie ja auch für die Botanik durch Ross- mässler und für die Zoologie durch Brehm vorgearbeitet worden ist. Vor allem indessen fehlt es an dem geeigneten Demonstrationsobjekt. Denn mit Hülfe von Handstücken der Sammlungen ist es unmöglich, eine Vorstellung von dem Wesen einer geologischen Erscheinung zu schaffen, es ist kaum möglich, die Entstehung von Erzgängen zu erklären, geschweige denn die Bildung der Gebirge und der vulkanischen Produkte. Es ist ohne ein grossartiges Ansehauungsobjekt nicht möglich, über die blossen Namen hinaus zu klaren Vorstellungen durchzudringen. Ist es doch gerade das Bestreben des heutigen naturwissenschaftlichen Unter­richts, an die Stelle der Worte und selbst der Zeichnungen die wirklichen Dinge zu setzen; um so durch persönliche Anschauung lebendige Bilder zu schaffen. Vor allen Dingen aber ist es unmöglich, aus Handstücken und Zeichnungen eine Vorstellung von derMasse zu erhalten, welche in der Geologie die erste, Rolle spielt, unmöglich zu erkennen, dass hier alles von dem Gewichte und der Wirkung des Druckes abhängt, dass die Erdrinde nicht eine starre, unerschütterliche Schale ist, sondern dass sie biegsam wie Wachs ist und beständig Umformungen erfährt, dass sie ebenso in einem allmählichen Umwandlungsprozesse begriffen ist, wie alles Geschaffene überhaupt. Und gerade diese Erkenntnis ist von über­raschender Wirkung auf den empfänglichen Geist. Und welche Rolle spielt nicht endlich die Geologie in Bezug auf die Förderung des Ver­ständnisses für die jetzige Culturentwicklung? Eisen und Steinkohle, die Grundlagen unserer heutigen Cultur, verdienen sie nicht eine ganz eingehende Würdigung, gehört nicht eine wissenschaftliche Kenntnis über ihre Entstehung zu den geringsten Anforderungen der Bildung?