Heft 
(1893) 2
Seite
68
Einzelbild herunterladen

68

Die geologische Wand im Humboldthain zu Berlin.

Ein solches Demonstrationsobjekt ist allein eine geologische Wand,­ ein natürliclms Stück der Erdrinde. Von besonder e r Wichtig keit ist eine solche für uns, die Bewohner der Tiefebene. Gesteinsproben können wir in genügender Menge an jeder Chaussee sammeln, denn noch immer liefert unser Geschiebelehm Mengen von nordischen Find­lingen, aber wie diese in ihrer Heimat einst zusammengehangen haben, und wie sie entstanden sind, das können solche Bruchstücke uns nicht verraten. Für die Bewohner Berlins ist durch den Besuch der Rüders- dorfer Kalksteinbrüche eine leichte Gelegenheit geboten, einen Einschnitt in die Erdrinde in grösserer Ausdehnung kennen zu lernen; doch ist an dieser Stelle in Bezug auf den Aufbau der ganzen Erdrinde eine ge­nügend grosse Zahl von Erscheinungen nicht vertreten, da man hier nur über die Entstehung der Schichtgesteine Aufschlüsse erhalten kann.

Göppert in Breslau hat nun zuerst ein gemauertes Profil erbaut, welches das schlesische Kohlengebirge darstellt Dann wurde im Jahre 1878 auf Anregung des Geheimrats Professor Dr. hn i m Harten des landwirtschaftlichen Instituts der Universität Halle ein ähnliches aber umfassenderes mit grossen Kosten hergestellt, ln diesem sind sämtliche in Mitteldeutschland auftretenden Gesteinsarten eingemauert. Es ist hier ein Ihunonstrationsobjekt geschaffen, wie es schöner nicht gedacht werden kann. Bei seinem grossen Umfange ermöglicht es auch einer grösseren Anzahl von Besuchern ein bequemes Betrachten und wirkt energisch auf das Vorstellungsvermögen. Ausserdem aber bringt es in den Kreis der naturwissenschaftlichen Objekte ein ganz neues, das eine besondere. Me­thode zu seiner Darlegung erfordert, welche ganz abweichend ist von der für die biologischen Naturwissenschaften gültigen. Bei diesen handelt es sich im Wesentlichen um ein sicheres Autfassen des Vorhandenen, um ein klares Wiedergeben desselben und dann vielleicht noch bei einigen besonderen Fällen um das Aufsuchen des Zusammenhanges zwischen der Form und der Funktion bezw. der Bebens weise. Bei einem geologischen Profil kommt aber noch ein Wichtiges hinzu, das ist: die Verknüpfung der Beobachtungen zu einer Erklärung über die Entstehung. Es spielt hier das Denken und das richtige Schliessen eine bedeutend grössere Holle als in den beiden anderen. Kein geringerer als Charles Darwin hat deshalb der Geologie die erste Stelle unter den beschreibenden Naturwissenschaften eingeräumt. Sie sucht aus den gegenwärtigen Vorgängen in der Natur die Erklärung abzuleiten für die rätselhaften Erscheinungen des Erdinnern. Und gerade, weil sie so un- gemein zum Nachdenken anregt, deshalb müsste sie sich besonders fruchtbar für den Unterricht erweisen.

Die Geologie oder Erdgeschichte umfasst alle Untersuchungsgebiete, welche sich mit der Erde befassen. Ihre spezielle Aufgabe ist es, die Fragen über das Material, die Verwendung desselben und über die Ent-