Heft 
(1893) 2
Seite
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Spandau - Gatow - Cladow.

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an einem langen mit Blatt versehenen Stengel eine Blume (? Lilie), deren Kelch den Unterleib der Frau verschämt.*)

An eine leichtfertige Darstellung bei dem mit frommer Inschrift geschmückten heiligen Gerät zu denken, wäre ganz falsch. Es handelt sich vielmehr lediglich um eine allegorische Darstellung im Geschmack der Zeit: Triumpf der christlichen Unschuld über Narreteiwesen und weltliches Spiel oder dergleichen. Die bei den Dorfbewohnern umlau­fende, gutgemeinte Erklärung: Erschaffung der Eva aus der Rippe des schlafenden Adam bedarf keiner Widerlegung; die vermeintliche Rippe ist zweifellos ein Teil der erwähnten blühenden Pflanze.

Cladow. Der in Bergaus Inventar nicht genannte Ort liegt male­risch auf dem hohen Ufer über dem rechten llavelufer mit schönem Blick auf den Fluss, die Kolonie Wannsee, die Pfaueninsel, den Kälber­werder, das Imchen-Eiland und den Cladower Sandwerder.

Am Abhange des Hügels gegenüber dem buchen sammelten wir die nördlich allmählich bis hierher vorgedrungene seltene Trocken- Sclmecke Helix candicans Ziegler, zumeist kreidig-weisse, ungebäu- derte Gehäuse, eins mit turmartigem Aufbau der Gewinde, wie ich eine dergleichen individuelle Abweichung (deviatio) unter den nahe verwand­ten Ilelix ericetorum Müll bei Alte Grund in den Rüdersdorfer Kalkbergen 1888 gefunden.

Sonst kommt hier an Landschuecken mit II. candicans noch ebenfalls eingewandert Helix nemoralis Rinne und die ortseingebo­rene Helix strigella Draparnaud vor.

Die gotisch gebaute Kirche enthält kostbare silberne Altarleuchter in Form von gotischen Sakramentshäuschen und ein grosses Tauf­becken von Messing mit getriebenen Darstellungen, im Mittelstück der engelische Gruss, auf dem Rande von Hunden gehetzte Hirsche, ähnlich einer Schüssel in Döberitz Hei Rathenow und einer anderen in der Pfarrkirche zu Nauen. Ein Kronleuchter mit schönen Krystall- behängen aus dem 18. Jahrhundert.

Die Wände sind dicht garniert mit Jungfern- und Junggesel­len-Kronen, von denen viele Seidenbäuder heruuterhängen, welche jedoch nur die Namen der Betreffenden und die Jahreszahl, sonst keine Inschriften aufgestickt zeigen. Diese Gedenkzeichen liegen auf dem Sarge, werden dann bis zum nächsten Sonntag auf dem Altar ausge­breitet, hiernächst aber an der Kirchenwand befestigt.

Diese löbliche Sitte kommt leider mehr und mehr ab, weil die Geistlichkeit dagegen ist. Man meint die Wände würden zu sehr ver-

*) Ein musizierender Mann in Narrentracht mit dem Dudelsack befindet sich unter den 4 Musikanten auf der Darstellung Otto IV. mit Heilwig von Holstein in der im 14. Jahrhundert geschriebenen fälschlich so genannten Manesseschen Liederaammlung.

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