Heft 
(1893) 2
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Kleine Mitteilungen.

Zeit und Mass.

Vom 1. April 1893 ab traten in unserer Heimat zwei für alle Zeiten so einschneidende Aenderungen amtlich ins Lehen, dass wir derselben hier Erwähnung thun müssen.

Die mittelcurop.'iischc Zeit ist mit jenem Zeitpunkt eingeführt, d. h. die mittlere Sonnenzcit des fünfzehnten Längengrades östlich von Greenwich. Man hat diesen Meridian, der ungefähr eine Zeitstundc östlich von dieser Sternwarte liegt, aus dem Grunde als den Ausgang für die deutsche Einheitszeitbestimmung gewählt, weil er Deutschland nahezu in der geographischen Mitte schneidet. Er zieht sechs Zeitminuten östlich von Berlin, annähernd über Stargard und das hrand en burgische Städtchen Sorau, Görlitz. Von dieser Ausgangs-Mittagslinie ist die äusserste Ostgrenze des Reiches um 31, die äusserste Westgrenze um 31» Minuten entfernt.

Das hundertteilige Thermometer, auch Celsius-Thermometer genannt, tritt an Stelle des achzigteiligcn Keaumur-Thcrinometers vom 1. April d. J. ab für Berlin amtlich in Kraft. Auch für die übrigen Teile unsers engern Forschungsgebiets ist durch Verfügung des Ministeriums des Innern angeordnet, dass bei Neubeschaffung von Wärmemessern im öffent­lichen Dienst nur noch Centigrad - Instrumente anzuschaffen seien. Diese Acnderung wird sich viel schwerer als die Zeitverschiebung einbiirgern, da es sehr lange Zeit erfordern dürfte, ehe sich das Volksgcfühl, welches mit dem achtzigteiligcn Thermometer so vertraut ist, mit der neuen Einteilung abfinden kann. Erst die allerjüngste Generation wird sich vollständigem^ unbewusst in die neue Wärmemass-Kinteilung einleben.

Der letzte Ferge von Berlin. Wie der Telegraph die reitenden Boten, der Dampfwagen die Postkutschen, so verdrängt die Brücke die Fähren. Im Grunde ist eine Fähre nichts als eine schwimmende Brücke, sobald jedoch in der Nähe der schwimmenden eine feste Brücke entsteht, dann ists mit der Fähnnannsherrlichkeit vorbei. Das hat sich bei der am M. November 1892 eröffneten Brücke im Zuge der Paulstrasse wieder bestätigt. Während die Bauleitenden oben eine Entstehungsgeschichte der Brücke vortrugen, setzte unten das Führboot, welches bis dahin Moabit mit Bellevue verband, zum letzten Male über die Spree, gleichzeitig als das letzte Fährboot, welches innerhalb der Keichshauptstadt in Thlitigkcit geblieben ist. Ein Teil der bei der Bauabnahme Beteilig­ten, die Stadträthe Voigt und Friedei, die Stadtverordneten Gericke und liast, sowie mehrere Baumeister bestiegen hierauf das Boot, fuhren durch die neue Brücke hindurch, um deren Verhältnisse von der .Stromseite aus in Augenschein zu nehmen, dann wurde an der Wassertreppe des Schlosses Bellevue angelegt und das Fährboot, mit welchem wieder ein Stück Volkspoesie zu Grabe geht, ausser Dienst gestellt. Als gewissenhafte Chro­nisten wollen wir noch verzeichnen, dass der letzte Fährmann von Berlin Hagemeister heisst, seines Zeichens Schifter war, jetzt aber dem undank­baren Berlin, welches sein Fälirmatmsgewerbe zum alten Eisen geworfen, den Kücken zugekehrt und ein Schankgeschäft in unserer Nachbarprovinz Pommern begründet hat.B. T.-Bl. 16. Nov. 1892.