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Kleine Mitteilungen.
Die „Zwölften“ in Berlin. In dem Hause Dorotheen-Strasse 62, wo meine Mutter, Frau Dr. Luise Friedei, an 20 Jahre wohnte und daselbst 1882 verstarb, war die Vorstellung von den „Zwölften“ auf den Vorder- wie Hintertreppen bei den Herrschaften wie bei den Dienstboten, natürlich auch bei den „Kellerleuten“, sehr verbreitet. Die „Zwölften“ sind die zwölf Nilchte von Weihnachten bis Dreikönigentag; in ihnen ziehen die alten Götter der Deutschen herum, Segen bereits für’s kommende Jahr spendend, aber auch nach dem Rechten sehend. Man soll dann von der Arbeit lassen, besonders nicht waschen oder Wilsche zum Trocknen auflegcn; das weiss jedes richtige Berliner Kind. „Wer den Zaun bekleidet, muss den Kirchhof bekleiden“, d. h. wer Wäsche aufhängt, muss sterben.*) Die Spötter setzen hinzu: fragt sich nur — wann?
Meine Mutter, Verehrerin Sehleiermacher’s und in der rationalistischen Zeit aufgewachsen, Feindin jeden Aberglaubens, trotzte nicht allein dem Zwölften-Glauben geflissentlich, sondern fand es auch gerade sehr angenehm, allemal während der „hilligen“ Zeit zu waschen und zu trocknen, weil ihr während derselben keine andere Familie in die Quere kam. Wie oft habe ich hören müssen, ich möchte das doch meiner Mutter ausreden, sie käme davon ins Unglück, oder sie brächte Anderen im Hause (las Unglück. Als sie einmal um Neujahr herum krank war, hiess cs: das ist die Strafe für die Gottlosigkeit und als sogar einmal in der kritischen Zeit im Hause ein sehr alter Mann starb, dessen Lebensuhr von Gottes und Rechts wegen abgelaufen war, da war ein allgemeines Murren im Hause: Das kommt blos davon, weil Doktors immer in den Zwölften waschen.
In vielen Tausenden von Berliner Familien ist noch heut die Zwülften- Scheu lebendig. E. Friedei.
Preussische Zigeuner-Soldaten. In den Mitt. des Vereins für die Geschichte Berlins hatte ich auf eine zufällig von mir in Walter Scott’s Quentin Durward (Tauchnitz edition, 1845 p. 505) gefundene Nachricht auf merksam gemacht, worin der berühmte schottische Romanschreiber mitteilt, wie er 1815 einen Zigeuner als preussischen Soldaten unter den Be- satzungstnippen von Paris getroffen und wie dieser sich nicht sehr schmeichelhaft Uber den preussischen Militärdienst geäussert. Herr Direktor Dr. Wilhelm Schwartz schreibt mir dazu: „Eine kleine Notiz zu den Zigeunern in Preussen. In Neu-Ruppin fiel mir beim Umbau des Gymnasiums ein Maurer auf, der das Aussehen eines Zigeuners hatte. Es war auch, wie sich bei einer Recherche ergab, ein solcher und zwar der letzte von einem paar Zigeunerfamilien, die Friedrich der Grosse im siebenjährigen Kriege als Spione benutzt hatte. Ich habe die Sache erzählt in der Zeitschr. f. Preuss. Geschichte, 1866. S. 147 cf. Beheim-Schwarzbach, Hohenzollernsche Colonisationen. Leipzig, 1874, S. 405.“ E. Friedel.
*) Vgl. sonstigen bezüglichen Volksglauben in den Märkischen Sagen und Märchen etc. bei Adalbert Kuhn, Berlin, 1843, S-371 u. 372; sonderbarer Weise bespricht er den Aberglauben der „Zwölften“, der in der Mark eine so wichtige Rolle spielt, nur ganz flüchtig, ja erwähnt nicht einmal den üblichsten Volksausdruck „die Zwölften“, sondern sagt dafür „die Zwölfen“.