Bericht Aber die 9. (2. Arbeits-)Sitzung des II. Vereinsjalires.
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von zwei daselbst stehenden seltenen Bäumen zu sammeln und zu verzehren.*)
Ich lege zur beliebigen Entnahme Proben von diesen Früchten vor. Sie stammen von zwei ausnehmend stattlichen, nämlich etwa 50 Fuss hohen Zürgel-Bäumen, Celtis occidentalis L. Der Zürgelbaum steht botanisch den Ulmen nahe. Die Früchte, nicht viel grösser wie Wachholderbeeren, sind braunrot und an einen Pol spitzeiförmig, sie haben einen grossen Kern und nur wenig Fleisch, darum von süssapfel- ähnlichem Geschmack. Im südlichen Europa kommt eine heimische Art Celtis australis L. mit dürftigen schwärzlichen Fi’üchten vor, deren kärgliche Fleischteile ebenfalls von Kindern und hungerigen Wandersleuten verzehrt werden.
Fast noch primitiver mutet das Verzehren der Scheinfrüchte des Weissdorns (Crataegus oxyacantha L. und Cr. monogynus Jacq.) an, welches z. B. in Charlottenburg jetzt recht im Schwange ist. ln der Zeit vom 1. bis 4. Oktober d. J., als ich das Herzogtum Lauenburg, Lübeck und Umgegend und das zum Grossherzogtum Oldenburg gehörige Fürstentum Lübeck durchstreifte, habe ich an verschiedenen Orten das Sammeln und Rohverzehren dieses seltsamen Obstes der Urzeit mit angesehen.
Schier unglaublich erscheint es unserm verwöhnten Gaumen, dass auch die Vogelbeeren, die Scheinfrüchte der Eberesche (Quitsche, Faulesche), Sorbus aucuparia L., welche sich durch ein unangenehmes Blausäure - Bitter auszeichnen, roh gegessen werden. Dennoch geschieht es im nördlichen Russland, wo unser Garten-Obst nicht mehr gedeiht, an manchen Orten ganz gewöhnlich. Man lässt den Frost über die Scheinfrüchte gehen, wodurch sie weicher und milder im Geschmack werden. Neuerdings hat man Spielarten erzielt, die im Geschmack von vorn herein süsslich sind, und selbst unseren Kindern munden, zum Anbau und zur Gewinnung eines billigen Speiseobstes empfohlen.**)
*) Die schönen Bäume dürften vielleicht aus der Zeit des Berliner Baumkundigen Willdenow (f 12. Juli 1812) stammen. Dr. Bolle meint jedoch sie seien noch jünger und von dem General-Gartendirektor Lenné gepflanzt.
**) Vergl. J. Blasius: Reise im Europ. Russland in den Jahren 1840 und 1841. I. 8.250 und meinen Aufsatz: „Sorbus aucuparia var. dulcis“ in de r Naturwiss. Wochenschrift. Bd. 5. 1890. 8. 478. Im Forstgarten der Kgl. Akademie zu Eberswalde finden sich Exemplare der süssen Spielart unserer Eberesche. l m Gebiet zwischen dem Onega-See, der Suchona und Dwina wird auch die widerlich bittersüsse Traubenkirsche (bei uns meist Faulbaum genannt) Prunus Padus L, anstelle der nicht mehr gedeihenden wirklichen Kirsche von den
Kindern gegessen. _ Da inzwischen schon Nachfrage nach süssen Vogelbeer-
bäumen (Sorbus aucuparia) gekommen ist, sei darauf aufmerksam gemacht, dass man am besten Wildlinge aus dem Wald in den Garten verpflanzt und dann durch Pfropf- reis der süssen Spielart veredelt. Einzelnstehende Ebereschbäume an Landstrassen u. s.w.