Heft 
(1893) 2
Seite
172
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172 Cb. C. Sprengels botanische Entdeckungen in der heimatlichen Pflanzenwelt.

abgesonderten Saft empfangt und enthält; 3. eine Saftdecke, d. h. eine Vorrichtung, welche den Saft vor Kegen schützt; 4. ein Saftmal, d. h. ein durch Form oder Farbe besonders ausgezeichneter Teil der Blumen, der bewirkt, dass die Insekten den Saft in der Blüte leicht finden können; 5. Vorkehrungen zur Verhinderung der Bestäubung der Narbe durch den Blütenstaub derselben Blüte.

Durch Tausende von Einzelbeobachtungen an 461 Pflauzenarten hat Sprengel seine Lehre begründet, in 1117 Zeichnungen auf 26 Kupfer­tafeln hat er die besprochenen Blumen sorgfältig abgebildet und die Er­gebnisse seiner Untersuchungen mit geradezu mustergültiger Klarheit und Folgerichtigkeit mitgeteilt. Fast durchweg bezogen sich seine Wahr­nehmungen auf Pflanzen, die Jedermann bequem zugänglich waren. Man hätte erwarten sollen, eine so einfache und so gut begründete Lehre wäre sofort von den Fachleuten auf ihre Richtigkeit geprüft und dann zur allgemeinen Anerkennung gelangt. Gerade das Gegenteil trat ein. Kein einziger der Zeitgenossen Sprengels gab sich die Mühe, durch eigene Beobachtungen die Blumentheorie auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Ohne Prüfung wurde die Richtigkeit der Sprengelschen Angaben schlecht­weg bestritten, von der ganzen Theorie behauptet, sie sei mehr auf metaphysische Spekulationen, als auf thatsächliche Beobachtung be­gründet u. s. f. Eine genaue Prüfung des Sprengelschen Werkes und eine Vergleichung desselben mit den botanischen Schriften der Zeit­genossen lässt unschwer erkennen, dass vor allem die Neuheit und Kühnheit der von Sprengel ausgesprochenen Theorie, ihre Fremdartigkeit im Vergleich zu Allem, was man damals als die Aufgabe der Botanik betrachtete, mit einem Worte, dass das Voraufeilen vor seiner Zeit der Grund war, weshalb Sprengels Arbeiten zuerst, ja jahrzehntelang nur Teilnahmlosigkeit und Abweisung erfuhren.

Erst durch Darwin, der im Jahre 1859 seine Untersuchungen über die britischen und einige ausländische Orchideen veröffentlichte und in diesem Werke die Verdienste seines Vorgängers ihrem vollen Werte nach anerkannte, wurde das Sprengelsche Werk seiner fast 70jährigen Verkanntheit und Vergessenheit entrissen. Bald wandte sich dem neu erschlossenen Gebiete der Naturbeobachtung, der Erforschung der Be­ziehungen zwischen Blumen und Insekten eine grosse und stets wachsende Schar von tüchtigen Forschern zu, ein neuer Zweig, die Biologie, er­wuchs. Allein in den Jahren 1883 bis 1890 sind, wie Mac Leods Ver­zeichnis angiebt, nicht weniger als 688 Abhandlungen und selbständige Werke über diesen Gegenstand erschienen. Und alle diese Arbeiten knüpfen stets an die von Sprengel gegebenen Anregungen direkt an. Da kann es nicht wunder nehmen, dass gerade jetzt, wo ein Jahrhundert verflossen ist seit dem Erscheinen des Sprengelschen Werkes, vielfach der für die Wissenschaft so hochwichtigen Entdeckung und ihres Ur-