Ein kleiner Berliner Friedhof a. D.
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Ein kleiner Berliner Friedhof a. D.
(Alter Dreifaltigkeits-Kirchhof.) Aufgesucht und beschrieben von C arl Bolle.
Hinter verschlossenen Thüren, lieber wohl noch hinter unnahbaren Mauern, wohnt gern das Geheimnis. Nirgend vielleicht thut sich dies mehr kund als da wo der abgeschiedene Kaum nach aussen hin vom Getümmel grossstädtischen Verkehrs umflutet wird. Wie selten dies auch in unserem modernen, aller Heimlichkeit der Stätte widerstrebenden Berlin Vorkommen mag, so liegt dennoch in dem Mauerverschluss des vergessenen kleinen Kirchhofs am Potsdamer Platz ein Beispiel dafür vor wie es schlagender nicht gedacht werden kann.
Es bildet derselbe ein Oblong einige siebzig Schritt lang auf 28 Schritt Breite, seitlich von ein Paar Kiosks und einer hübschen Blumenhalle flankiert, das sich einerseits an die breite Treppenflucht des Potsdamer Bahnhofs, dieselbe halb verdeckend, anlehnt, andrerseits gegen die Ecke der Königgrätzer Strasse, früher Hirscheistrasse genannt, hin Front macht, indem es an letzterer Stelle ein eisernes Thor zeigt, das sich selten genug öffhen mag. Hohe Baumkronen überragen den abseits gelegenen Ort, an dem dennoch unaufhörlich ein Strom Kommender und Gehender sich vorüberwäizt, da hier das grosse Eintrittsthor für den Verkehr der westlichen Welt mit unserer Stadt sich aufthut. Nicht gerade oft mag unter den Vorbeihastenden der Eine oder der Andere einmal einen prüfenden Blick auf die grünumrankte Einfriedigung werfen. Es bedarf wohl eines absonderlichen Interesses an Berliner Dingen um den Wunseli des Einblicks hinter jenachdeni so viel oder so wenig versprechende Mauern zu wecken.
In uns, die wir der Stätte nahe wohnen, war ein solches Begehren seit lange rege gewesen. Immer und immer wieder verschob sich jedoch die Erfüllung desselben. Gelang es auch unschwer, vom Treppenpodest des Bahnhofpalastes aus ein wenig von dem Inneren zu überschauen, so genügte ein derartiger verstohlener Einblick doch der Wissbegier keineswegs. Vei aber besass den Schlüssel zu diesem Heiligtum, der zugleich derjenige zur Eösung mancher, hinter soviel Hindernissen verborgener Rätsel sein musste?
Niemand wusste das.
Es kam dazu jene Scheu, die wohl, seit der Entschleierung es i s v on Sais schon, nur allzuoft besorgt war, liebe Illusionen zerstört zu sehen, also auch in diesem Falle befürchten durfte, ein Stücklein erträumter Konmntik in nüchterne Prosa verflüchtigt zu finden. So sind Jahre vergangen e. he es für uns hiess: Intrate, nam et hic Dii sunt
Nun geschah es am 28. September d. J., einem regenschweren Herbsttage, dass endlich die mysteriöse Pforte sich erschloss. Mit dem Schlüsse m der Hand, stand der gefällige Kirchhofsinspektor Herr Scholz, Vorsteher es grossen und an hervorragenden Grabstätten so reichen Friedhofkomplexes der Dreifaltigkeitsgemeinde vor dem halleschen Thor, dessen Filiale war hier betreten wollen, unser harrend im geöffneten Thorweg. Als erfahrener Mann
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