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Sturnea Aus dem Vogelleben der Heimat.
Wo nun die örtlichen Verhältnisse dergestalt sind, wird sogar der passionirte Vogelfreund zur Selbsthülfe, sei es auch vermittelst der Flinte, greifen. Höchst wahrscheinlich wird er dann unserem Wahlspruch beipflichten, welcher lautet:
Schutz den Vögeln, dem Menschen aber, wo sie schädlich werden, ohne falsche Sentimentalität, das Hecht der Notwehr auch gegen sie.
Obigem seien einige Strophen beigefiigt, die den Staar in freilich ganz anderer Weise wie in der national-ökonomischen, als Liebling des Volkes und im Lichte des Volkshumors nämlich ins Auge lassen. Sie fussen auf einer im wendisch-märkischen Sprachgebiet kursirenden Anekdote, deren Wortlaut uns zuerst durch Herrn Wilibald von Schulenburg, den ebenso gediegenen wie ansprechend erzählenden Folkloristen, zur Kenntnis gekommen ist.
Der redende Staar.
(Aus einem MS. Wendischer Komnncero betitelt.)
Staar, mein Staarmatz, wenig tauget Staar, du wurdest zum Verräther, Unsrem Ohr dein Waldgesang, Du, den stets sein Herr liebkost,
Doch es schlummert in der Kehl’ dir Nachgeahmter Stimme Klang;
Und es ist bekannt bei Allen Dein Gebahren komisch-ernst:
Wie du, gleich den Papageien, Menschenworte plappern lernst.
Beim Studieren wetterwendisch Bist du nie, stets aufmerksam.
In der Lausitz lernst du wendisch, Wenn man aus dem Nest dich nahm
Dem er fette Mehlwnnnbissen Reicht und Miereneierkost.
„In der Kammer, in der Kammer Dort liegt die Backwaare klein!“
Also zu des Meisters Jammer Hörte man den Vogel schrei’n.
Und es war von der Entdeckung Folge Konfiskation.
Triumphierend trug die Semmeln Eines Büttels Korb davon.
War mit mehlbestäubten Haaren Einst ein Bäcker auf dem Land,
Hatte einen lieben Staaren,
Löste dem der Zunge Band.
Dieser sprach, ein wahres Wunder, Wie Gelegenheit sich bot.
Seinetwegen aus dem Laden Holten viele Kunden Brod,
Trotzdem klein die Bäckerwaare. — Kuchen, Zwieback und Mitchbrod, Immer »inz'ger wurden diese,
Bis zuletzt die Strafe droht.
Staarmatz kam jetzt in Ungnade. Keiner war ihm nunmehr hold.
Warum plaudern aus der Schule Musstest du, o Tückeboldl
Trage hart Geschick mit Wörde; Dein Spruch lautet auf Exil. 'Hausgeschmissen auf die Strasse ln des Rinnsteins Schmutz er fiel.
Als er, sein Gefieder glättend,
Sass, malpropre, auf dem Stein,
Schritt vorüber, noch viel schmutzger, Eines Nachbars Mutterschwein
Und es kam, dem nachzuforschen, Hoher Obrigkeit Besuch. —
Nirgend auf dem Ladentische Lag Beweis von dem Betrug.
Und dies Tier, bedeckt mit Borsten, Das im Schlamme wühlen geht,
Ward von dem betrübten Staaren So mit Worten angeredt:
„Kam’rad, hast du auch gesprochen Von dem Brodlaib allzuklein'?“ — Lachend nahm darauf der Bäcker Seinen Staarmatz wieder 'rein.