Heft 
(1893) 2
Seite
190
Einzelbild herunterladen

190 Bericht über die II. (3. Offentl.) Versammlung des II. Vereinsjahres.

Gestatten Sie mir die Liste des steinzeitlichen Obstes für diesmal abzuschliessen, indem ich nur noch ein paar Prunus-Arten an- führe, in Anreihung an die im Oktober erwähnte, hie und da roh verzehrte Traubenkirsche (Faulbaum, Prunus Padus). Zunächst die Vogelkirsche, welche zwar in unseren Laubwäldern aber so selten wild vorkommt, dass jeder neue Standort Interesse bietet. Von dieser Prunus avium L. stammen unsere Süsskirschen ab, während von der Sauerkirsche (Prunus Cerasus L.), welche der Deipnosophist und Schwelger Lucullus aus Kleinasien, speziell aus der Gegend von Ce­rasus [jetzt Kerasum] nach Europa gebracht haben soll, unsere Morellen und Glaskirschen abgeleitet werden.*)

Die Vogelkirschbäume, welche namentlich in Pommern an den Landstrassen häutig stehen, werden von der Dorfjugend geplün­dert. Dort, z. B. in Stralsund und Greifswald, kommen die Früchte auf den Markt, gerade wie die säuern Kirschen, stets abgestielt, da die Stiele bei gründlicher Keife der Frucht sich leichter ablösen, auch viel grösser und derber sind, als bei den veredelten Arten. Zu Kerl in habe ich sie, ebenfalls abgestielt, im Jahre 1892 in der Central-Markt- lialle gesehen. Im Allgemeinen ist die Vogelkirschc bei uns nur ein Obst der Vögel und der Kinder und wird, wie leider auch die sehr wohlschmeckende, zum Einmachen geeignete Brombeere, von Hiiseren märkischen Hausfrauen zumeist verachtet.

Den Beschluss mache unsere schönblaue kugelrunde Schlehe, die Frucht des Schwarzdorns, Prunus spinosa L., die vielfach als Heckenstrauch bei uns gepflanzt wird. In den Riidorsdorfer Kalk­bergen werden die Früchte, wenn sie durch den ersten Frost mürbe geworden sind, von den Kindern verzehrt. Auf den Berliner Märkten habe ich die Schlehen niemals feilgeboten gesehen, obwohl sie eingemacht einen nicht unangenehmen pikanten Geschmack haben, gleich den im Süden Deutschlands ebenfalls im überreifen Zustande von den Kindern verspeisten Ilabersch leben (Prunus insiticia L.), von denen ver­edelt die kleine gelbe Mirabelle und unsere prächtig schmeckende Keine Glaude herausgebildet worden ist.

6. Zur Ansicht sind aus dem Märk. Provinzial-Museum ausgelegt:

a) 2 grosse, von Hermann Kiickwardt hergestellte Lichtdruck- Abbildungen der neuen Lutherbrücke (Paulstrassenbrftcke) zu Berlin, erbaut von Stadt-Baurat Dr. llobrecht 1891 93;

*) Die in Süddeutscliland so beliebtenWeichseln, eine grosse Sauerkirsche, die in vortrefflicher Beschaffenheit auf dem Münchener Obstmarkt vorkommt, soll aus der Weichsel-Kirsche (Prunus Mahaleb L.) kultiviert sein, einem süd­deutschen Baum, der bei uns in Gärten vielfach angepflanzt ist, kleine süsssaure Früchte trägt (z. B. im Gutsgarten des Berliner Kieselguts Gütergotz) und ein sehr angenehm riechendes, zu Pfeifenrohren und Cigarrenspitzen verarbeitetes Holz besitzt.