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Die Hohenzollern in neuester Mythenbildung.
Oder nei, die Leut’ konnten dem Prinz’ docli nachrechnen, wo er sich unlängst aufgehalten hätt’. Ja, er wurd’ oft aufgefordert, bei reichen Herrschaften zu speisen; oder das nahm er nich an; er trat lieber hei Arme’ ein.“
Diese Erzählung hörte ich zuletzt vor etwa 4 Monaten; sie ist aber bereits 1886 in den „Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins“ abgedruckt worden. Von andern gleichfalls dort wiedergegebenen Erzählungen möchte ich noch eine vortragen, falls es den geehrten Anwesenden nicht zu viel wird.
Eine Frau aus unserer Nachbarschaft erzählte: „Ich hab’ in meinem Leben nur einen einzigen Prinz geseh’n, un das war der Prinz Karl, der jetzt gestorben is. (1885.) Das war dazumal, als er durch’s Land betteln ging. Ja, wahrhaftig, es is wahr! Die Leut’ in Kl. hatten ihn auch geseh’n. Ich weiss noch Alles ganz genau. Der Prinz liatt’ sich als Bettler verkleid’t un Hess sich durch’s Land fahren. Oder immer vor’m Dorf stieg er ab un kam zu Fuss. Un so kam er auch zu der Frau, bei der ich mich krats aufhielt. Ich stand mit Andern im Hausflur; un die Frau war in der Stub’. Als nu jener Mann ankam, besah ich ihn mir ganz genau. Er hatt’ griese Bettlerkleider an un ganz ’runtergetretene, abgeschnitt’ne Sehlorren; oder durch das zerrissene Leder kuckten Wichsstiefel; und das fiel mir auf. Auch wie liernach der Mann wegging, sah ich ihm nach, denn die Sehlorren kappten immer aus, und die Wichsstiefel kamen zum Vorschein. Oder zumeist fiel mir das Gesicht auf. Der Mann liatt’ so ’no reine Haut; un die Bettler seh’n doch immer so verwischt aus. Er liatt’ ’n Bart un sah recht gut aus. Kinder, Leut’! dacht’ ich, was is das für ’n Bettler! Die Wenktiner seh’n doch immer so aus, dass man vor ihnen laufen möcht’; oder dieser sieht so lieblich aus. Die Frau gab dem Mann ’n Geldstück. Weiss der liebe Gott, ob er um Essen oder sonst was gebeten hat! Er ging von Haus zu Haus un bettelt’. Hier oder kreeg er Geld. Die Leut’ sagten: er zog’ so im Land umher, um auszukundschaften, oh man den Bettlern etwas geben möcht’; das liatt’ er sich so vorgenommen. Als er nu aus jenem Haus wegging, sagt’ ich zu der Frau: „Na, hören Sie“, sagt’ ich, „so ’n Bettler hab’ ich doch all’ mein Lebtag nich geseh’n. Haben Sie denn schon so einen geseh'n?“ „Nei“, sagt sie, „das muss ich sagen, so ’n Bettler is mir noch nich vorgekommen.“ Mir verwunderten uns auch nich wenig. Hernach sagten alle Leut’, dass es der Prinz Karl gewesen sei. Ich glaub’, es wurd’ ihm dann bis Lieb- miihl nachgefahren; oder man hat ihn nich eingeholt.“
Wiederholt w ird von grossmütigen Handlungen beru htet, durch welche der als Bettler erschienene Prinz seinen vermeintlichen Almosenspendern später dankte. So soll er einer Soldaten-Wittwe, die ihn mit grobem Muss und Schalkartoffeln enpiickt hatte, „Geld in Massen“ geschickt haben.