Die Ilohenzollem in neuester Mythenbildung.
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bogen an, denn er war eingescldafen. Oder (aber) der König sagt’: „Die Zeit erlaubt es nicht! — Die Zeit erlaubt es nicht, zu bleiben!“ Es wurd’ also »ich angehalten. Un immer Carriere, Camöre ging’s weiter. Bei Allenstein sollen sie ihn — denk’ ich — mit dem Wagen uingeworfen haben.“
„Na, einmal kam er auch nach Saalfeld.“
„Ja, das besinn’ ich mich noch. Das war ein grosser Ausputz. Un Wagen! — ach, du mein Gott! Un Ehrenpforten auf der Strass’, dass er da durchfahren könnt’. Die Mädchen standen mit Harken da und Kränze d’ranf; un die Männer mit Sensen. Ja, es war ein grosser, himmlischer Ausputz. Oder (aber) ich sag’: das war nicli gut; denn nu könnt’ er doch nicli seh’n, dass Armuth da war.“
Es handelte sich bei diesem Gespräche um zwei Besuche des Königs; am 30. Juli 1851 hatte die Fahrt durch Maldeuten, im Juni 1854 die Fahrt durch Saalfeld stattgefunden.
Vielleicht genügten diese eiligen Besuche nicht, um an die Person des Königs volkstümliche Erzählungen zu knüpfen; vielleicht hat uns aber auch der Zufall bis jetzt solche vorenthalten.
Für Kaiser Wilhelm 11. ist wahrscheinlich eine reichliche Mythenbildung zu erwarten; sein häufiger Aufenthalt in Ostpreussen wird manchen unbewussten Dichter im Dorfe anregen. Schon jetzt geht mancherlei von Mund zu Mund; es hat aber noch den Schein der Möglichkeit an sich und gehört deshalb nicht hierher.
Als der Kaiser im Frühling 1889 in Prökelwitz war, sagte unsei alter Jäger: „Na, nu muss der junge Kaiser doch sein Land durchreisen un seh’n, was er eigentlich hat. Herr Gott, der hat doch wohl s ein Leiden, wie wir alle! Jeden Tag so zu diktieren, wie’s im Land sein soll.“
Natürlich beschränkt man sich auf richtige Märchen, wenn man z . B. davon spricht: dass ein König die Krone ungefähr so trägt, wie ein Arbeiter die Mütze, nämlich immer; oder dass der Fürst in vergnügter Stimmung plötzlich die Regierung an einen Andern abtritt; — aber schon aus meinen in der Eile zusammengetragenen Mitteilungen werden Sie , geehrte Anwesende, erkennen, welcher Art die Vorstellungen sind, aus denen heraus sich Geschichten — wie die erwähnten — bilden.
Um Sie nicht zu sehr zu ermüden, will ich es hieirmit genug sein lassen, obgleich der Stoff noch weiter ergiebig wäre. Ich muss mir a ber a uch etwas Vorbehalten für den Fall, dass mich wieder eine Anforderung, hier vor Urnen zu sprechen, überrascht.
Elisabeth Lemke.