238
Per Spreewald mul seine Bewohner.
Seltenheit im Spreewald. Möglich, dass auch diese zu sagenhaften Vermutungen Veranlassung gaben.
Zwischen Leipe und Lübbenau liegt Dorf Lehde, das „Venedig des Spreewald“, wie es bei einer Unterhaltung über den Spreewald als Kronprinz mir gegenüber einst der hochselige Kaiser Friedrich nannte. Der hohe Herr hatte noch die Absicht den Spreewald zu besuchen, doch ist es leider nie mehr dazu gekommen.
Südlich von Burg liegt Müschen, einst berüchtigt durch seinen Morast, voller Reize mitten in grüner anmutiger Landschaft, mit einer stillen friedlichen Bevölkerung. Auch hier wieder entfaltet sich vor unsrem geistigen Blick eine Fülle wunderbarer alter heiliger Beziehungen, die uns tief in das Altertum hineinführen. Nahe beim Dorfe lag früher ein Hügel, der Muschink, der lange Zeit hindurch, schon im Jahrtausend vor Christus als Friedhof diente. Zahlreiche Totenurnen, andere Gefässe und Gegenstände sind hier seit Jahren beim Sandabfahren aus den Gräbern zum Vorschein gekommen. Mit den Scherben hat man Wege ausgebessert. Den letzten Rest der alten Totengaben gelang es mir noch zu retten. Jetzt ist der Hügel verschwunden und Häuser daran gebaut. So haben die Toten keine Kuhstatt mehr. Wenn einst die Bewohner die Sachlage erkennen, wird es hier spuken. Nicht allzu weit von hier trifft man an 3 Grenzen auf den berühmten Schwurstein, doch kann ich hier wie immer auf seine Bedeutung nicht weiter ein- gehen, ohne Zweifel die Stätte eines alten Heiligtums. Vermutlich stand dort in slavischer Zeit »las Bildniss einer Gottheit, wenn in Müschen heidnische Slaven überhaupt gewohnt haben, da keinerlei Zeugnisse ihrer Anwesenheit, wie thatsächlich auf dem Bralunoer Schlossberge uns vorliegen. Noch früher, in vorslavischer, altdeutscher Zeit wurde dem Anschein nach der Gott God oder Wode, der grosse Gott aller Deutschen, an dieser Stelle verehrt. Noch weiterhin sieht man die Bullgrube (bykowa jama), ein beziehungsreiches, tiefes, rundes mooriges „Wasserloch“, rings, wenigstens früher, von Erlen umstanden, während auf dem schwarzen Wasserspiegel die Blätter und weissen Blüten der Seerose unbeweglich ruhen, «ler dem Wassergeiste geweihten N yxbl ume. Hem Volk gilt sie als unergründlich, mit einer Stange fand ich Grund. Unergründlich in der Sprache des Volks hatte n«>ch zu den Zeiten der Alten einen doppelten Sinn. Es hiess nicht bloss, dass ein Gewässei sehr tief sei und keinen Grund habe, sondern auch, »lass man gewisse Wassertiefen nicht messen soll und darf. Das galt als vermessen, als eine Versündigung gegen die Gottheit, wie diesem alten Volksglauben Schiller Ausdruck gegeben in den Worten:
„Pa unten aber ist'» fürchterlich,
Und »ler Mensch versuche die Götter nicht Und bekehre nimmer und nimmer zu schauen Was sie gnädig bedecken mit Nacht und Grauen.“