Heft 
(1893) 2
Seite
242
Einzelbild herunterladen

242

Der Spreewuld und Reine Bewohner.

Heidentums, <lit* durch die klassisch-philologische Schulbildung so viel­fach in unseren Volksgeist übergegangen sind. .Jedenfalls ist die Rede heidnisch, nicht christlich, denn Christen verbrannten nicht ihre Toten. In der Friedenskirche zu Potsdam sieht man auf dem Grabdenkmal des hochseligen Kaisers Friedrich, des edlen Dulders, weibliche Gestalten an einem Wasser und drüben den Fährmann. Sie wollen also ins Jenseits. Diese Darstellung entspricht durchaus dem Glauben unserer heidnischen Vorzeit. In Zeitungen fand ich den Fährmann Charon ge­nannt. Das wäre falsch. Niemals hatte in Deutschland der Seelen­schiffer diesen Namen. So hängen wir durch zahllose oft unmerkbart* geistige Fäden noch immer mit der Vorzeit, mit unsrem viel geschmähten Altertum zusammen. Aller unberechtigter Kampf dagegen wird ein vergeblicher sein. Die übernatürlichen Bedürfnisse des menschlichen Herzens verlangen ihr Recht. Immer wieder werden sie eine Welt sich schaffen.

Spinnwirtel, nicht blos aus der Neuzeit und vielleicht dem Mittel- alter, sondern aus vorgeschichtliche^ Zeit, sind bekannt. Sie werfen ein helles Schlaglicht auf die Menschen jener Zeit und ihre häusliche Thätigkeit. Sie haben also gesponnen, Leinwand und, wie immer, auch Wolle; selbstverständlich auch gewebt oder gestrickt. Sie trugen Wollen- und Leinenkleider, liefen nicht nackt im Spreewald umher. Solche falschen Vorstellungen hat man noch immer über unsere Vorzeit. Sieht man doch sogar am Treppenfries in der Nationalgallerie zu Berlin den Fürsten Armin von Thüringen, bekannt als Hermann der Cherusker, in Hoch­arbeit dargestellt, als einen splitternackten Mann mit umgehängtem Tier­fell. Dazu vergleiche man Bändels Herrmann im Teutoburger Mahl! Verarbeitete Tierfelle hat man ohne Zweifel auch im Spreewald ge­tragen, das sind aber Pelze und dieses Wortes sollte man sich bedienen. Um ihre Biberpelze in jener biberreichen Zeit möchte wohl mancher Mann der Gegenwart die Alten beneiden. Freilich unsere höheren und mittleren Schulen lehren nichts vom heimischen Volkstum, während das griechische, römische und hebräische Altertum einen breiten Raum im Unterrichte einnehmen.

Wer etwa die ältesten Bewohner waren, darüber wissen wir nichts ge­schichtlich. Das Volk heute nennt sie ludki, Putchen. Vor und nach Christi Geburt waren es, wie schon erwähnt, Deutsche, Semnonen, die zwischen Klbe und Odersassen. Sie gehörten zum Volksstamm der Sweben oder Schwaben. Diese bevölkerten damals Norddeutschland und zogen später nach Süd­westen, wo sie heute noch sitzen. Wenn also die Semnonen 1 ) die Be-

') Vergl. aueh Platner, die Bcvulkening8verliiltnis.se iui deutschen Nord-Osten, Korrespondenzblatt der deutschen anthrop. Gesellschaft 1898. Steininschrift des Kaisers Augustus: »Seinnones et ejusdem tractus alii Gennanorum populi.«